Emission eines Photons

ohne Quantensprung!

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Ein Atom kann sich in stationären Zuständen befinden, z.B. mit den Quantenzahlen n,l,m = 1,0,0 (Grundzustand) und n,l,m = 2,1,0 (ein angeregter Zustand). Wie kann es seinen Zustand ändern?

 Durch Emission oder Absorption von elektromagnetischer Strahlung.


In der Quantenphysik berechnet man den Übergang von einem zum anderen Zustand durch die Überlagerung von Zuständen, z.B. mit den genannten Quantenzahlen, zu denen auch bestimmte Frequenzen gehören. Das Ergebnis ist eine Schwingung mit der Differenz der Frequenzen.
In der Animation sind vier Flächen gleicher Dichte der Elektronenladung (oder in der Sprache der Quantenphysik der Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons) dargestellt, von violett (hohe Aufenthaltswahrscheinlichkeit) bis orange.
Das Atom führt eine Dipolschwingung aus (in der Mitte ist der positiv geladene Kern zu denken) und gibt deshalb Dipolstrahlung ab, oder absorbiert sie.
Für Licht beträgt die Frequenz der Schwingung etwa 10^14Hz. Der Vorgang/Übergang kann bis zu einigen Nanosekunden dauern, also etwa 100000 Schwingungen - je Lebensdauer des angeregten Zustands.

 

 

 

Bilder im Sekundentakt...

... oder etwas flüssiger 

Zur interaktiven Darstellung nebenstehend eine mp4-Datei Download mp4

Ob Schrödinger sich das so vorgestellt hat? Jedenfalls meinte er: "If we have to go on with these damned quantum jumps, then I'm sorry that I ever got involved!"

Schrödinger verglich die Zustände eines Atoms auch gerne mit den Schwingungen einer Membran (siehe auch Are there quantum jumps?):

"This produces an infinite variety of initial deformations and accordingly a truly infinite variety of shapes of the ensuing vibration: the rapid ‘succession of cinema pictures’, so we might call it, which describes the vibration following on a particular initial deformation is infinitely manifold. But in every case, however complicated the actual motion is, it can be mathematically analysed as being the superposition of a discrete series of comparatively simple ‘proper vibrations,’ each of which goes on with a quite definite frequency."



 

Wir versuchen diese "atomaren Membranen" durch die Darstellung der Realteile der Wellenfunktion zu veranschaulichen. In den folgenden Animationen gilt für die Koordinaten: Die z-Achse ist wie bisher die "polare Achse" (Polarwinkel = 0 am Nordpol), und die x-Achse gehört zum Azimut 0. In Richtung der y-Achse (vorne/hinten) ist nun aber die Dichte der Wellenfunktion über der x-z-Ebene abgetragen (Realteil (Re) oder - weiter unten - Betragsquadrat (abs)).

Die Grundschwingung sieht dann etwa so aus wie die Membran eines Basslautsprechers...

Aber Vorsicht mit Analogien! Im Atom gehört zum Grundzustand die höchste Frequenz.
...und zur ersten Oberschwingung gehört "die Oktav"


Aber Vorsicht mit Analogien! Der erste angeregte Zustand eines Atoms schwingt mit 1/4 der "Grundfrequenz".

Wie sieht nun die Überlagerung dieser Zustände aus? Wir versuchen es zunächst mit einer Überlagerung der beiden Zustände mit gleichen Gewichten (Amplituden):

Bildet man die Summe der Realteile der Zustände, so entsteht dieses Muster. Das sieht zwar schön aus, ist aber falsch!

 Atomare Zustände schwingen nicht nur real, sondern auch imaginär. Man hat also das Betragsquadrat der Summe der komplexen Amplituden zu bilden:

Aber Vorsicht mit Analogien: Stationäre Zustände leben nicht ewig, sondern sind in Wirklichkeit labile Zustände, also Durchgangsstadien.  D.h., ein Zustand klingt exponentiell ab und der andere (energetisch tiefer liegende) nimmt im gleichen Maß zu, bis der einzig stabile Zustand, also der Grundzustand, erreicht ist. Der Übergang eines (Wasserstoff-) Atoms vom ersten angeregten Zustand zum Grundzustand, sieht also etwa so aus:

Theorie

Stark vereinfacht (wenn man nur die Zeitabhängigkeit berücksichtigt) entspricht der Übergang eines Atoms vom Zustand mit der Frequenz f2 in den Zustand mit der Frequenz f1 der Überlagerung zweier Schwingungen (komplex geschrieben, I ist die imaginäre Einheit) mit zeitabhängigen Amplituden. Dabei klingt die Schwingung mit der Frequenz f2 exponentiell ab (Dämpfungskonstante/Zerfallsrate c), und die Schwingung mit der Frequenz f1 nimmt komplementär zu (Summe der Amplitudenquadrate = 1). Das Betragsquadrat der Summe ist dann eine Schwebung (Differenz der Frequenzen im Cosinus) mit zeitabhängiger Amplitude: 

Bei der Überlagerung zweier atomarer Zustände sind die Amplituden noch ortsabhängig und man erhält z.B. für den oben dargestellten Übergang (in atomaren Einheiten):

 

 

Der Vorfaktor des "Interferenzterms" cos(f1*t-f2*t) bedeutet, dass die Schwebung nicht schlagartig einsetzt und dann exponentiell abklingt (blaue Kurve),

 
vielmehr muss erst ein "Einschwingvorgang" erfolgen (grüne Kurve = Produkt von blau und rot), ganz in Analogie zum radioaktiven Zerfall (Mutter-Tochter).
 
Das "Tochterelement" wäre dann in diesem Fall ein Photon, das etwa so wie oben abgebildet aussieht, bzw. ein Zwischenzustand des Atoms, der weiter in den stabilen Grundzustand zerfällt.
 

 

Die Fouriertransformierte dieser Schwingung (des Photons) ist nun (im Vergleich zur Näherung von Weisskopf und Wigner - s.u. Literatur) aber keine Lorentzlinie, sondern eine "Beta-Linie":

                  

mit der Eulerschen Betafunktion B(x,y) zur zentralen Frequenz w0 (imaginäre Einheit als I notiert, w als Frequenz). In der Darstellung rechts sieht man, dass die Beta-Linie (rot) etwas schmaler ist, als die Lorentzlinie (blau, mit der vollen Halbwertsbreite c). Das ist auch vernünftig, weil das sprunghafte Einsetzen der Schwingung (Lorentzlinie) einen größeren Anteil hoher Frequenzen erfordert.

Der Unterschied der beiden Linienformen ist nur minimal und wird in Messungen ohnehin von anderen Effekten um Größenordnungen überlagert, z.B. Stoßverbreiterung (Lorentzprofil) und Dopplerverbreiterung (Gaußprofil). So erklärt sich auch, dass bis heute in allen Darstellungen des Photons als Wellenzug, ein sprunghafter Beginn der Strahlung zu finden ist.

Noch etwas mehr Theorie

Das System Atom-Photon befindet sich während der Emission (oder Absorption) eines Photons im Zustand

[Anm.: Dabei handelt es sich um einen reinen Zustand (und kein Gemisch von Zuständen). Der zweite Summand steht stellvertretend für eine Summe (genauer gesagt ein Integral) über alle möglichen Moden k des Photons |1> := |0,0,...,1,0,0,...> (ein Photon in der k-ten Mode). ]

Im angeregten Zustand |a> ist kein Photon |0> vorhanden, und im Grundzustand |g> ist ein Photon |1> vorhanden. Die Amplituden c(t) sind zeitabhängig, d.h., der ebenfalls zeitabhängige Zustand startet als reiner Produktzustand (eine Amplitude ist Null), durchläuft ein Stadium der maximalen Verschränkung (beide Amplituden sind gleich) und endet als reiner Produktzustand (die andere Amplitude ist Null). Schrödingers Katze hat also kein Problem, sich für lebendig oder tot zu entscheiden, wenn man sie mit einem Atom, das ein Photon emittiert, in einen Kasten sperrt. Das liegt einfach daran, dass das Atom auch nicht ewig in einem Superpositionszustand (aus zwei "stationären Zuständen") "lebt", und nur dann springt, wenn man den Deckel der Kiste aufmacht, sondern kontinuierlich Energie abgibt.

Für die Emission ist es üblich einen "exponentiellen Zerfall", bzw. einen "gedämpften harmonischen Oszillator" anzusetzen (z.B. Weisskopf-Wigner-Näherung). Die Amplituden c(t) lauten dann wie oben

und ihr Produkt - und nicht ca0(t) alleine! - bestimmt sowohl den zeitlichen Verlauf der Dipolschwingung als auch des abgestrahlten Wellenzugs (der unten rechts mit Lichtgeschwindigkeit aus dem Bild verschwindet :-):

Kritik

Die Weisskopf-Wigner-Näherung basiert auf der Annahme des "rein exponentiellen Zerfalls" eines Atoms. Die Emission eines Photons wird also aus zwei Gründen phänomenologisch behandelt: 1. Ein (einzelnes) Atom verhält sich bei der Emission eines Photons wie ein "Ensemble radioaktiver Kerne". Misst man die Anzahl der angeregten (oder zerfallenen) Kerne als Funktion der Zeit, so ergibt sich das bekannte Zerfallsgesetz. 2. Die Abgabe der Energie an das elektromagnetische Feld beginnt schlagartig mit der maximalen Amplitude (und klingt dann exponentiell ab, denn Quantensprünge gibt es ja nicht :-).

Verwendet man diesen phänomenologischen Ansatz aus der statistischen Interpretation für die Amplituden in der zeitabhängigen Schrödingergleichung (oder in einer anderen zeitabhängigen Beschreibung), so ergibt sich ein Widerspruch: Das für die Emission erforderliche Dipolmoment wird zeitabhängig, und die Emission elektromagnetischer Strahlung setzt nicht schlagartig ein (wie bei einem Funkeninduktor). Damit scheint die Energiebilanz nicht mehr zu stimmen: Im statistischen (und statischen) Bild erfolgt die Energieabgabe (und -aufnahme) schneller als in der zeitabhängigen Beschreibung. In der folgenden Abbildung ist der "rein exponentielle Zerfall" blau dargestellt (entspricht der Auf- und Entladung eines Kondensators) und die Energieänderung durch eine "atomare Dipolschwingung" rot.

Im linken Bild beginnen das "statistische Atom" (blau) und das "Schrödingersche Atom" (rot) zum gleichen Zeitpunkt mit der Absorption (t=0) und Emission (t=7) eines Photons.
Die Vorstellung, dass man bei einem Atom den Schalter zur Zeit t=0 umlegen kann, ist etwas problematisch und eigentlich durch die Energie-Zeit-UR verboten (ex falso quodlibet :-), aber unter dieser Voraussetzung unterscheiden sich die Kurven doch deutlich. Aber man kann ja - rein phänomenologisch - die blaue Kurve etwas verschieben, wie im rechten Bild.

Die Problematik erinnert ein wenig an die "Bierschaum-Parabel" des radioaktiven Zerfalls:
A) Im Bierschaum (bestehend aus einem Ensemble identischen Bläschen = radioaktiven Kernen) platzt jedes Bläschen mit der gleichen Wahrscheinlichkeit/Zeit (Zerfallsrate), also ist die Änderung der Anzahl der Bläschen proportional zum Bestand der Bläschen.
B) Jedes Bläschen schrumpft kontinuierlich wie ein undichter Luftballon, also ist die Änderungsrate seines Volumens seinem Volumen proportional.
Natürlich verringert sich in beiden Fällen das Volumen des Bierschaums erwartungsgemäß rein exponentiell...

Spaß beiseite: Ein Atom kann Strahlung nicht nur bei der Resonanzfrequenz (im Bild rechts bei f = 10) absorbieren und emittieren, sondern auch daneben. Die roten Kurven in obiger Abbildung zeigen nur den Resonanzfall. Wenn man über alle Frequenzen integriert, bekommt man mit einer Lorentzverteilung die blauen Kurven. Interessant sind dabei die "Wellen" in der Abbildung rechts: Außerhalb der Resonanz findet ein "Einschwingvorgang" statt - ganz klassisch? Siehe auch  What is a photon?

 

Literatur:

- V. Weisskopf und E. Wigner, ZS. f. Phys. 63, 54, 1930
Berechnung der natürlichen Linienbreite auf Grund der Diracschen Lichttheorie.
- S. Kikuchi, Zeitschrift für Physik, July 1930, Volume 66, Issue 7–8, pp 558–571
Über die Fortpflanzung von Lichtwellen in der Heisenberg-Paulischen Formulierung der Quantenelektrodynamik.

© Mai 2017, Dr. Michael Komma (VGWORT)

Anmerkung: In dem Anfang Juni 2019 veröffentlichten Artikel To catch and reverse a quantum jump mid-flight, wird experimentell nachgewiesen, dass ein atomarer Übergang kontinuierlich und deterministisch abläuft (zumindest in einem künstlichen Atom). Die theoretische Behandlung erfolgt mit "Quantentrajektorien" und führt im Endeffekt auf das gleiche Ergebnis wie im Logistischen Modell vorgeschlagen.

Siehe auch:

Galerie | Kaskade | Spontane Emission, logistisch | Weisskopf-Wigner | Ensemble-Individuum | Atomarer Dipol | Bremsstrahlung - Feldlinien

What is a photon?

Der Quantensprung

Quantensprung in Zeitlupe

"Are there quantum jumps?"

Historisches zum Quantensprung

Weitere Quantensprünge

Rydbergatome

Elektrofluid

H-Orbitals aus ' Moderne Physik mit Maple'

Plancks Formel

Energieströmung

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