"Aktualisierung" Oktober 2017: Nach 20 Jahren reden heute wieder viele von der "Digitalisierung". Dabei war vor 20 Jahren eigentlich schon klar:

"Die neuen Technologien sind kein von der Gesellschaft isoliertes Phänomen, das ‘über uns kam’. Wir haben es produziert, wir müssen damit fertig werden" (s.u. Vorwort).

Übrigens: In BW sollen nun (Oktober 2017) bis spätestens in 10 Jahren alle Schulen einen Breitbandanschluss bekommen!
Und auch in BW reift nun wieder die Erkenntnis, dass man wieder Leistungskurse einführen sollte...
 

 

 

Das ‘Mobile Klassenzimmer’

am Isolde-Kurz-Gymnasium Reutlingen

 

Dr. Michael Komma 

1996 - 1999

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Mitwirkende, Berater und Förderer: 
 

Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg:

OSD H. Öttinger, MR Stroman, Initiatoren und Wegbereiter des Projekts

OSR W. Kinkelin, Projektleitung

 

Oberschulamt Tübingen:

RSD Selinka, CAS-Fortbildungen

 

Isolde-Kurz-Gymnasium:

OSD Dr. W. Borth, Schulleiter

 

Die Schüler des Mobilen Klassenzimmers.

Besonders verantwortungsvolle und arbeitsintensive Aufgaben übernahmen:

Fabian Hust (LK Mobiles Klassenzimmer): Webmaster des virtuellen Klassenzimmers

Michael Bayer (LK Mobiles Klassenzimmer): Betreuung des Mail-Servers

Tim Schorer (LK Mobiles Klassenzimmer): Betreuung des lokalen Netzes

Daniel Weihing (LK Mobiles Klassenzimmer): Betreuung des Dominoservers

Ralph Jäger und Thomas Altmann (Abitur 1996): Aufbau und Betreuung des lokalen Netzwerks, Anbindung an das Internet, Schulseiten im WWW.

 

Schüler aus dem Seminarkurs ‘Neue Technologien’

 

OSR M. Schlipphak, Unterstützung beim Unterricht in Klasse 11, jetzt GK Mobiles Klassenzimmer

OSR H. Kurz, Organisation und Betreuung der Kanadafahrt

OSR M. Breddin, Projekt ‘Nathan’

OSR W. Jung, Klassenfahrt nach Kreisau

OSR F. Förstel, Musikzeitung Me-Me

 

Schul- Kultur- und Sportamt Stadt Reutlingen:

Herr Keppler, Reutlinger Schulen im Internet

 

Fachhochschule Reutlingen:

Prof. Dr. Obieglo, Rektor

Herr U. Poliak, Web-Administrator

Herr Nemeczek, Netzwerke

 

Seminar Karlsruhe:

GP. D. Koller

 

Fachhochschule Heibronn/Künzelsau:

Prof. Dr. W. Werner, Computeralgebra

 

Universität Tübingen:

Prof. Dr. W. Küchlin, Informatik, CAS, Dokumentenmanagement

Prof. Dr. W. Nakel, Didaktik

 

Universität Giessen:

Prof. Dr. U. Glowalla, kognitive und pädagogische Psychologie

 

Baden-Würtembergs Extended LAN (BelWue):

Herr Merdian und Frau Herrmann, Anbindung von lokalen Schulnetzwerken an das Internet

 

 

Landesinstitut für Erziehung und Unterricht (LEU):

Herr Meyer-Bothling, Herr Zaoral, Arbeitsgruppe Multimediales Lehren und Lernen

 

Deutsches Institut für Fernstudienforschung (DIFF):

Dr. U. Harms, vollständige Lernumgebungen (SLICE)

Frau H.Krahn Lernumgebung SLICE

 

Förderverein MNU:

OSD A. A Campo, SD. Dr. W. Riemer, SD J. Wulftange, Lehrplantagungen

 

Initiative Schulen ans Netz (SaN):

M. Drabe, Chefkoordinator

 

Wilfried Laurier University, Waterloo, Ontario, Kanada:

Prof. Dr. H. Schmidt, Webmaster des Internationalen Deutschlehrerverbands (IDV), Schüleraustausch

 

Fa. Nodus GmbH:

W. Ederer, Frau Rebmann, Programmierung des Domino-Servers

 

Fa. Waterloo Maple Software:

M. Monagan, T. Kahrmann, Software

 

Fa. Scientific Computers:

Dipl. Ing. D. Meerkamp (Geschäftsführer), Projektbegleitung, A. Himmeldorf , Software

 

International Thomson Publishing (ITP)

Freigabe der Materialien aus ‘Moderne Physik mit Maple’

 

 

Durch die starke Verflechtung von Pädagogik, Verwaltung und Technik wurden im Vorfeld und Verlauf des Projekts viele wertvolle Beziehungen aufgebaut. Ohne ein solches Beziehungsnetz wäre die Planung und Durchführung des Projekts niemals möglich gewesen. Mein besonderer Dank gilt Herrn Öttinger, dessen liberale Führung des CA-Projekts alle Beteiligten sehr zur Kreativität anregte, den oben genannten Schülern ‘der ersten Stunde’ und ihren Nachfolgern, Herrn Poliak für seine unermüdliche Bereitschaft, aus einem Lehrer einen Netzwerktechniker zu machen, Herrn Ederer für sein Know-How und seinen Idealismus, Prof. Küchlin für seinen Überblick und strategische Tips ‘just in time’, Ralph Jäger für sein ‘hohes Maß an Flexibilität’ und Herrn Merdian für seine schier unerschöpfliche Geduld.

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Technische Voraussetzungen und Vorarbeiten *

1.1 Computer-Algebra-Systeme in der Schule *

1.1.1Entstehungsgeschichte und Trend*

1.1.2Merkmale eines modernen CAS*

1.2 SaN-Infrastrukturprojekt ‘CAS-Server’ *

1.2.1Zielsetzung und Realisierung*

1.2.2Didaktisches Konzept*

1.3 Intranet und Internet *

1.4 Das Elektronische Buch als neues Medium *

1.4.1 Der neue Mathematikunterricht *

2 Didaktik *

2.1 Beispiele zur Mathematik mit CAS *

2.1.1 Das Werkzeug *

2.1.2 Mathematische Inhalte *

2.1.2.1 Differential- und Integralrechnung *

2.1.2.2 Kurvendiskussion *

2.1.2.3 Kurvenscharen *

2.1.2.4 Integralrechnung (in Klasse 11) *

2.1.2.5 Folgen und Grenzwerte (Leistungskurs 12) *

2.1.2.6 Gebrochen rationale Funktionen *

2.1.2.7 Integralrechnung (Leistungskurs 12) *

2.1.2.8 Analytische Geometrie *

2.2 Unterrichtsformen und Methoden *

2.2.1 Wochenthemen *

2.2.2 Referate *

2.2.3 CAS-Methodik *

2.3 Leistungsmessung *

2.3.1 Klassenarbeiten *

2.3.2 Referate *

2.3.3 Korrekturen *

3 Abitur *

3.1 Prüfungskultur *

3.2 Bilanz *

4 Zusammenfassung und Ausblick *

 

 

 

Vorwort

In meiner eigenen Schulzeit (Abitur 1966) haben wir ein ganzes Schuljahr (nach heutiger Zählung Klasse 10) damit verbracht, Logarithmentafeln und den Rechenstab bedienen zu lernen. Wir mußten alle diese Techniken erlernen, egal ob aus uns später Kaufleute, Bürgermeister, Französichlehrerinnen, Ärzte oder Physiker wurden. Bei unserem 30-jährigen Abiturstreffen stellten wir dann fest, daß keiner von uns nach der Schule je wieder eine Logarithmentafel aufgeschlagen hat. Nur der Straßenbauingenieur hat ab und an noch den Rechenstab benutzt. Beim gleichen Abiturstreffen konnte außer unserem Lehrer nur noch einer von uns etwas mit den Begriffen anfangen, die für die ‘Kurvendiskussion’ benötigt werden (er unterrichtet seit 20 Jahren Mathematik). Das Erlernen der Technik der Kurvendiskussion nahm zu unserer Schulzeit (wie heute auch) drei Jahre in Anspruch. Der Rechenstab wurde bald vom Taschenrechner abgelöst. Wer von uns den Taschenrechner wirklich benötigt, hat diese Technik auch ohne Lehrer und nach seiner Schulzeit beherrschen gelernt. Der Taschenrechner wurde bald vom Computer überholt, und in den Computer pflanzte man Software ein, mit der man nicht nur Logarithmen berechnen konnte, sondern auch die Kurvendiskussion automatisieren kann: Computer-Algebra-Systeme (CAS).

Mit dieser kurzen Skizze der Entwicklung möchte ich darauf hinweisen, daß ich nicht zu den Computerfreaks gehöre, die ein Millionenprojekt wie das ‘Mobile Klassenzimmer’ bedingungslos gut heißen und vorwärtstreiben. Auch oder gerade weil ich mich täglich mit den ‘Neuen Technologien’ herumschlage, frage ich täglich nach ihrem Wert. Man könnte auch sagen, ich frage nach dem Sinn oder dem Ziel unseres Technologiefiebers - denn Fieber haben ja oft eine heilende Wirkung. Wie finden wir die Antwort auf diese Frage? Naturgemäß gibt es eine sehr kontrovers geführte Diskussion zu diesem Thema. Das Spektrum der Meinungen reicht von einer völligen Blockade der neuen Technologien (sogar der Taschenrechner soll wieder abgeschafft werden) bis zu einer völligen Ablehnung des herkömmlichen Unterrichts (Computer als einziges Medium). Mit diesen Vorurteilen können wir uns nicht zufrieden geben, wenn wir einerseits mit der Entwicklung (Technisierung) Schritt halten wollen und andererseits Bewährtes bewahren wollen. Das Bewährte kennen wir, jedenfalls reicht hier unsere Kenntnis für einen Konsens aus. Das Neue kennen nur einige von uns, und seine Folgen können nur wenige abschätzen. Hier müssen wir also die Antwort suchen: Die neuen Technologien sind kein von der Gesellschaft isoliertes Phänomen, das ‘über uns kam’. Wir haben es selbst produziert, wir müssen auch damit fertig werden. Nur diese Erkenntnis ist der Ansatzpunkt (und die Rechtfertigung) eines Millionenprojekts. Wir müssen voll ausloten, was auf uns zukommt. Angesichts der rasanten Entwicklung ist das äußerst schwierig und kann nur gelingen, wenn wir ein Pilotprojekt durchführen, das uns eine Extrapolation für die nächsten zehn Jahre erlaubt.

Aus diesen Gründen vertrete ich sozusagen zu Testzwecken hier das ‘progressive Lager’. Man wird nur dann beantworten können, was das Neue uns bringt, wenn man mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln einen echten Härtetest wagt. Dies war und ist der Geist und die Zielsetzung des Pilotprojekts ‘Mobiles Klassenzimmer’.

Dabei lauten die zentralen Fragen:

 

Welche ‘Innovationen’ kommen auf uns zu (im MU und im Unterricht allgemein)?

Was von diesen ‘Innovationen’ ist für die Didaktik (des MU) von Relevanz? Was kann man nur mit dem Computer unterrichten, und was sollte man tunlichst ohne Computer unterrichten?

Wie setzen wir den positiven Teil der Innovationen flächendeckend in die Praxis um?

1 Technische Voraussetzungen und Vorarbeiten

"Die bisherigen Unterrichtsversuche mit Computer-Algebra-Systemen zeigen, daß sich der Mathematikunterricht insbesondere in den Klassen 11 bis 13 stark verändern wird, wenn jede Schülerin und jeder Schüler über einen mobilen Computer ein Computer-Algebra-System einsetzen kann. Um Erfahrungswerte über solche Veränderungen zu bekommen, hat im Rahmen des Leitprojekts "Bildung vernetzt" das Teilprojekt "Mobiles Klassenzimmer" höchste Priorität erhalten. Die Landesregierung hat deshalb am 15. Januar 1996 das Kultusministerium beauftragt, das "Pilotprojekt Mobiles Klassenzimmer" durchzuführen. Das Projekt wird ab dem Schuljahr 1996/97 beginnend mit vier Klassen der Klassenstufe 11 durchgeführt. Die Ausstattung mit mobilen Computern soll den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, in der Schule und zu Hause interaktiv Lernprogramme zu nutzen, im projektorientierten Unterricht arbeitsteilig Lösungen zu entwickeln, Unterrichtsmaterialien zu kommunizieren oder auch Online-Infodienste abzufragen (Ministerium für Kultus und Sport, Baden-Württemberg)".

Die vier Schulen sind das Helmholtz-Gymnasium in Karlsruhe, das Hans-Thoma-Gymnasium in Lörrach, das Gymnasium in der Taus in Backnang und das Isolde-Kurz-Gymnasium (IKG) in Reutlingen.

Da der Unterricht mit CAS in Mathematik und Physik am IKG eine längere Tradition hat, und wir schon vor Jahren damit begonnen hatten, dafür eine Wissensbasis einzurichten, wurden wir damit beauftragt, eine Kommunikationsplattform für die CA-Schulen in Baden-Württemberg aufzubauen.

 

1.1 Computer-Algebra-Systeme in der Schule

Neben der rasanten Entwicklung der Hardware stellt vor allem die moderne Mathematik-Software ein riesiges Innovationspotential zur Verfügung. Es muß daher zunächst kurz erläutert werden, was ein Computer-Algebra-System (CAS) ist, und wozu es im Mathematikunterricht eingesetzt werden kann.

1.1.1 Entstehungsgeschichte und Trend

 

Die Entwicklung von CAS geht bis in die vierziger Jahre zurück, als man kleinere Systeme zur Lösung spezieller Probleme einsetzte. Der eigentliche Aufschwung setzte aber erst ein, als man in der theoretischen Physik dazu überging, Formeln von Computern symbolisch bearbeiten zu lassen. Man sah sich zu diesem Schritt gezwungen, weil Terme, die sich über 50 oder mehr DIN-A4 Seiten erstrecken, ‘von Hand’ einfach nicht mehr zu bewältigen sind. Mit REDUCE, einem frühen CAS aus dieser Zeit, konnten (und können) die Formeln aber nicht nur manipuliert werden, sie konnten auch erzeugt werden. Nach Angabe z.B. der Reaktionskanäle bei einer Teilchenkollision (Feynmangraphen) erledigt REDUCE das Tensorkalkül und liefert einen FORTRAN-Code zur numerischen Berechnung des Wirkungsquerschnitts (Wahrscheinlichkeit für eine bestimmte Reaktion).

Das Wort ‘Algebra’ in CAS meint also die algorithmische Behandlung symbolischer algebraischer Ausdrücke, die zur Lösung von Gleichungen - oder allgemeiner von algebraischen Aufgabenstellungen - notwendig sind. Diese Algorithmen bilden aber z.B. auch die Grundlage für Operationen der Infinitesimalrechnung, für die symbolische (geschlossene) Lösung von Differentialgleichungen oder für die Behandlung geometrischer Fragestellungen: alles, was sich durch einen Algorithmus beschreiben läßt, kann im Prinzip in ein CAS implementiert werden. Man ist heute sogar schon soweit, daß Beweise mit einem CAS geführt werden können. Weil ein CAS aber auch numerisch rechnen kann, übernimmt es somit die drei wichtigsten Aufgaben der Mathematik (stark vereinfacht).

Computer: Ein Rechner setzt in einen Term Werte ein und berechnet das Ergebnis.

Solver: Ein Löser erzeugt alle Werte einer Variablen, für die eine bestimmte Beziehung gültig ist.

Prover: Ein Beweiser entscheidet, ob für alle Variablen (einer gewissen Menge) eine bestimmte Beziehung gilt.

Diese Entwicklung der CASe wurde natürlich erst durch die Entwicklung der Hardware ermöglicht und wird durch letztere immer noch stark beschleunigt, denn ein CAS braucht immer eine Wissensbasis, in der Daten und Algorithmen stehen, und diese Wissensbasis braucht Speicherplatz und die Abarbeitung der Algorithmen benötigt Rechenzeit. Die heutigen CASe sind aber sicher schon eine Vorstufe zur künstlichen Intelligenz und finden eine immer breitere Anwendung. Ausgehend von speziellen Problemstellungen der Forschung haben sie sich inzwischen in der universitären Lehre in fast allen Bereichen der Mathematik und Naturwissenschaften etabliert und stehen nun an der Schwelle der Schulen. Dies ist auch darauf zurückzuführen, daß ein modernes CAS nicht mehr nur von Spezialisten bedient werden kann, sondern sogar von einem 8.-Klässler. Und nachdem Computer-Algebra längst ein eigenes großes Forschungsgebiet geworden ist und Weltfirmen sich im Jahreszyklus mit ihren Innovationen gegenseitig übertreffen, ist abzusehen, daß ein CAS bald an den Schulen mit der gleichen Selbstverständlichkeit eingesetzt werden wird wie ein Taschenrechner (und vor ihm der Rechenschieber).

Allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Ein CAS ist kein ‘Rechenknecht’ wie der Taschenrechner, sondern es löst alle in der Schulmathematik vorkommenden Fragestellungen symbolisch. Sobald man ihm den Lösungsalgorithmus bekannt gemacht hat (wenn er nicht schon intern vorhanden ist), kann es alle Probleme des gleichen Typs aber auch Variationen davon auf Knopfdruck lösen. Aber eben diese Fähigkeit eines CAS zur Lösung mathematischer Probleme wirft gewaltige didaktische Probleme auf, die häufig unter dem Stichwort ‘wie viel Termumformung braucht der Mensch?’ zusammengefaßt werden. Im Vergleich zur Einführung des Taschenrechners bedeutet die Einführung von CAS eine Revolution, die fast den ganzen bisherigen Mathematikunterricht in Frage stellt, von den Inhalten bis hin zu den Arbeitsformen.

 

1.1.2 Merkmale eines modernen CAS

Kennzeichnend für ein modernes CAS ist, daß es alle unten aufgeführten Merkmale in sich vereint: Es ist ein Allzweckwerkzeug mit hoher Bedienungsfreundlichkeit und Zuverlässigkeit, das überdies im Vergleich zu Programmen, die nur für spezielle Handhabungen geeignet sind (wie z.B. Funktionsplotter) sehr preisgünstig angeboten wird (inklusive Support und Weiterentwicklung).

 

Symbolisches Rechnen: Das Hauptmerkmal eines CAS ist die Fähigkeit zum symbolischen Rechnen. Das ermöglicht übrigens auch numerisches Rechnen mit nur durch den Speicher und die Rechenzeit begrenzter Stellenzahl. Für die Schulmathematik bedeutet das im Einzelnen (es werden nur die wichtigsten Punkte aufgezählt):

Termumformung: Algebraisch (auch komplex): Vereinfachung (nach verschiedenen Kriterien), Ausmultiplizieren, Faktorisieren, interaktives Bearbeiten (mit der Maus), Sortieren. Trigonometrisch und transzendent: alle Identitäten/Substitutionen.

Lösen von Gleichungen: Algebraische Gleichungen und Gleichungssysteme soweit lösbar. Trigonometrische und transzendente Gleichungen in speziellen Fällen, numerische Lösungen in jedem Fall. Test auf Identität (und Mustererkennung).

Funktionen: Alle gängigen Funktionen sind vordefiniert. Der Benutzer kann eigene Funktionen definieren. Berechnung von Funktionswerten. Umkehrfunktionen. Stückweise definierte Funktionen. Funktionen als Operatoren (mit eigenem Definitionsbereich).

Infinitesimalrechnung:

Folgen: Bildung von Folgen. Iterative und rekursive Folgen. Lösung von Differenzengleichungen.

Reihen: Identitäten für endliche Reihen. Reihenentwicklung.

Grenzwerte: Für große Werte von x (die ‘gesamte Asymptotik’). Für die Annäherung an einen Punkt (links- und rechtsseitig).

Differentiation: Alle Ableitungsregeln (partiell und total)

Integration: Alle Integrationsregeln. Uneigentliche Integrale.

Differentialgleichungen: Gewöhnliche und partielle. Systeme. Geschlossene und numerische Lösungen. Werkzeuge zur graphischen Darstellung (Felder, Phasendiagramme...).

Geometrie: Behandlung von geometrischen Objekten (zwei- und dreidimensional) wie Punkt, Gerade, Ebene, Kugel. Zugehörige Gleichungen und graphische Darstellung.

Vektorrechnung: Alle Operationen

Stochastik: Alle Wahrscheinlichkeitsverteilungen mit allen erforderlichen Operationen. Beurteilende Statistik (Tests).

 

Man könnte also ein modernes CAS auch als ein elektronisches Mathematikbuch bezeichnen, das weit mehr als die Schulmathematik abdeckt. Deswegen wurde die Aufzählung ab dem Punkt Geometrie nicht mehr weiter aufgeschlüsselt. Manche Anwender werden von der Fülle der Möglichkeiten abgeschreckt und neigen zu kleineren Systemen. Dies hat sicher auch seine Berechtigung. Bei der Vorstellung und Einschätzung der heutigen CASe ist es aber unumgänglich, deutlich auf das riesige Potential dieses universellen Werkzeugs hinzuweisen, das bei den immer kürzer werdenden Soft- und Hardwarezyklen (und der harten Konkurrenz) schon bald jedem zur Verfügung stehen wird. Dazu kommt, daß sich gerade die größeren CASe nach Belieben so einstellen lassen, wie es die jeweilige Situation (im Unterricht) erfordert. Durch Aus- und Einblenden von Befehlen und Hilfestellungen oder Kapselungen mit verschiedener Tiefe kann eine vollständige Lernumgebung geschaffen werden, die den jeweiligen Erfordernissen angepaßt werden kann: CBT.

 

Graphik: Parallel zur ursprünglichen Intention (symbolisches Rechnen), die man mit CAS anstrebte, hat man durch die rasante Entwicklung der Hardware die großartigen Möglichkeiten des Computers bei der Visualisierung vorangetrieben, so daß die graphischen Fähigkeiten eines CAS nun weit über die eines ‘Funktionsplotters’ hinausreichen:

2D: Darstellung von Funktionen und Scharen von Funktionen (farbig und mit einstellbarer Linienart, Beschriftung...). Parametrische Plots (algebraische Kurven, Phasendiagramme). Plots in den verschiedensten Koordinatensystemen. Implizite Plots (die Angabe einer Gleichung genügt). Vektorfelder (DGLn). Ablesen von Koordinaten.

3D: Alle Optionen aus 2D. Verschiedene Perspektiven und Beleuchtungen von Flächen im Raum. Gitterlinien, Hidden Lines, gefüllte Flächen, Höhenlinien, Dichteplots.

Animationen: 2D und 3D. Schrittweises Abtasten von Kurven- und Flächenscharen, kontinuierlicher Film, zyklische Bewegungen: Damit wird die vierte Dimension (Zeit) sichtbar gemacht.

Graphische Objekte: Parallel zu den geometrischen Objekten werden in Bibliotheken Standardobjekte angeboten und die Programmierung eigener Objekte ist möglich.

 

Die Graphik oder allgemeiner die Visualisierung hat sich inzwischen schon fast zum zweiten Standbein der CA entwickelt und nimmt eine tragende Rolle bei der Heuristik und experimentellen Mathematik ein, sowohl in der Forschung als auch in der Lehre. Dazu kommen in immer stärkerem Maße die Möglichkeiten von Multimedia, insbesondere Sound und die Verknüpfung zu anderen Anwendungen und Schnittstellen zu Meßgeräten.

 

Programmierung: Ein größeres CAS bietet alle Möglichkeiten der Programmierung. Der wichtige Unterschied zu Compiler-Sprachen ist, daß die Befehle in beliebiger Reihenfolge ausgeführt werden können. Eine Art Compilierung ist jedoch auch möglich, indem Befehle eines Arbeitsblattes ausgeführt werden und das Arbeitsblatt dann in einem systemeigenen Code abgespeichert wird. Nach dem Laden dieser Datei stehen dann sofort die Ergebnisse aller ausgeführten Befehle zur Verfügung.

Datentypen: Einfache Variable, Felder, Listen, Mengen und weitere systemeigene Typen.

Prozeduren: Neben den Funktionen gibt es eine Vielfalt von Möglichkeiten durch Prozeduren mit lokalen und globalen Variablen die Bibliothek des Systems zu erweitern. Typischer CAS-Vorteil gegenüber einer Compilersprache: Die Prozeduren können interaktiv schrittweise aufgebaut und bearbeitet werden. Meistens gibt es die Möglichkeit, die Prozeduren auch in andere Sprachen übersetzen zu lassen.

Verzweigungen: Gehören zum CAS-Standard.

Schleifen: Alle typischen Konstruktionen. Laufbereiche mit eigenen Typen (z.B. Mengen) möglich. Interaktives Arbeiten (z.B. Abbruch einer Endlosschleife).

Logik: Alle Booleschen Operatoren, Definition eigener Operatoren, sogar Prädikatenlogik: Beweise

 

Die Programmierung ist natürlich die Domäne eines CAS, das von Algorithmen lebt. Das Gefälle ‘reine Mathematik’ - ‘nur Informatik’ wird laufend abgetragen: Computer, Solver, Prover (s.o.). Wichtige didaktische Aspekte sind die ‘Modularisierung’, aber auch die Abstraktion und Begriffsbildung, die durch die experimentelle Mathematik mit einem CAS stark gefördert werden.

 

Bibliothek: Das ist die Wissensbasis des CAS. Die Bibliothek des Systems enthält alle Konstanten, vordefinierten Variablen und vor allem die Befehle und Algorithmen, die vom Benutzer verwendet werden können. Meistens baut die Sprache des Systems auf einen Kern auf (der z.B. in C programmiert ist) und es können Programmpakete bei Bedarf hinzugeladen werden. Dazu kommt eine (oft von Benutzern geschriebene) Bibliothek von Anwendungen oder ‘elektronischen Büchern’, die vom Hersteller selbst mit angeboten werden oder im WWW zu erhalten sind - inzwischen auch online direkt aus einer Arbeitssitzung heraus (Client - Server).

 

System: Die größeren CASe sind durchweg befehlsorientiert und die Sprachelemente sind dem Benutzer voll zugänglich (bis hin zur Änderung systemeigener Befehle). Es gibt aber auch Systeme, die einen beschränkten Befehlssatz anbieten, der über Buttons erreicht werden kann. Offene Systemarchitektur: Der Kern des Systems kann unabhängig vom Benutzer-Interface geladen werden (auch mehrfach und von anderen Anwendungen aus). Unterstützung von OLE.

 

Oberfläche / Benutzerschnittstelle: Die meisten CASe arbeiten mit dem sogenannten ‘Arbeitsblatt-Konzept’ (engl.: Worksheet, Notebook...). Eine einfach zu bedienende Benutzeroberfläche ist eines der wichtigsten Kriterien für den Einsatz von CAS in der Schule. Dazu gehört eine klare Strukturierung von Input-, Output-, Text- und Graphikregionen:

Input: Hier werden die Befehle eingegeben und können (beliebig oft) ausgeführt und erneut editiert werden. Oft ist auch ‘Inline-Mathematik’ möglich, also die Eingabe und Ausführung eines Befehls im fließenden Text

Output: In dieser Region antwortet das System in standardisierter mathematischer Notation. In guten CASen kann Output als Input weiterverwendet werden.

Text: Meistens werden alle Möglichkeiten der Textverarbeitung angeboten. Größere CASe werden zu wissenschaftlichen Publikationen verwendet und sind mit Vorlagen für verschiedene Stile ausgestattet (Qualität des Textsatzsystems TeX).

Hypertext: Inzwischen können in fast allen CASen Bookmarks und Hyperlinks gesetzt werden, sowohl intern (innerhalb eines Arbeitsblattes oder auf ein anderes Arbeitsblatt) als auch extern auf einen URL im WWW. Das ermöglicht im Prinzip die komplette Vernetzung der Bibliotheken.

 

Weitere wesentliche Merkmale eines benutzerfreundlichen CAS sind ein gutes Menü, Werkzeugpaletten für häufig wiederkehrende Befehle und Operationen, Kontextmenüs und eine gut strukturierte Hilfe mit aussagekräftigen Beispielen.

 

Menü: Neben dem üblichen Menü werden die systemspezifischen Aktionen angeboten, etwa einzelne Befehle, Formatierungen oder Optionen.

Paletten: Sonderzeichen und Buchstaben für der mathematischen Schriftsatz, häufig benötigte Befehle oder Schablonen (z.B. für Matrizen). In einem größeren CAS können die Paletten vom Anwender selbst zusammengestellt werden.

Kontextmenüs: Oft ist es möglich, Aktionen wie z.B. Termvereinfachung oder Plot eines ausgewählten Terms etwa über die rechte Maustaste auszulösen, wobei die angebotenen Menüs kontextsensitiv sind und auch vom Anwender selbst eingerichtet werden können.

Hilfe: Es haben sich Hilfebrowser eingebürgert, die in größeren CASen schon zu kompletten mathematischen Nachschlagewerken angewachsen sind. Ebenso gehört Volltextsuche und kontextsensitive Hilfe zum Standard. Die Beispiele in der Hilfe sind oft eigene Arbeitsblätter und können in das aktuelle Arbeitsblatt kopiert werden. Eigene Hilfeseiten und Beispiele können zur Hilfe hinzugefügt werden (mit Querverweisen). Ein wichtiger Teil der Hilfe sind auch verständliche und detaillierte Fehlermeldungen.

 

 

 

1.2 SaN-Infrastrukturprojekt ‘CAS-Server’

Der CAS-Server Baden-Württemberg http://notes.ikg.rt.bw.schule.de wurde in der ersten SaN-Runde als Infrastrukturprojekt am IKG eingerichtet. In erster Linie dient er als Wissensbasis und Diskussionsforum für Schulen, an denen Mathematik mit Computer-Algebra-Systemen (CAS) unterrichtet wird. Die Funktionalität des Servers ist aber nicht an einzelne Fächer gebunden und so wurde diese Kommunikationsplattform mit Erfolg auch in einem vorgezogenen Seminarkurs und zum Informationsaustausch mit kanadischen Schülern eingesetzt.

Mit diesem Infrastrukturprojekt soll öffentliches Telelearning ermöglicht werden. Es handelt sich nicht um ein Unterrichtskonzept für ein zeitlich begrenztes Projekt, sondern um computerbasierten Unterricht im WWW schlechthin.

1.2.1 Zielsetzung und Realisierung

Wissensbasis: Die Materialien (zunächst in Mathematik, dann auch in anderen Fächern) werden in einer Datenbank abgelegt (von Schülern und Lehrern). Sie sind nach Kategorien (Fächern) geordnet und können nach verschiedenen Kriterien recherchiert werden: Datum, Kategorie, Autor und Volltextsuche. Für den Einsatz des Servers im WWW ist es dabei besonders wichtig, daß die gesamte Datenbank (auch ihre Verwaltung) über normale HTTP-Browser zugänglich ist.

Kommunikation: Die Materialien können durch Mitarbeiter einer Autorengruppe ergänzt und mit privaten und öffentlichen Kommentaren versehen werden, ebenso sind separate öffentliche Diskussionen möglich. Dabei sind Materialien und Diskussionen zu einem Thema wie in den News Groups in ‘Threads’ (Fäden) angeordnet. Auf diese Art können sich Schüler gegenseitig im Netz unterrichten, aus Telelearning wird Teleteaching.

Arbeitsfluß: Die Steuerung des Arbeitsflusses (‘workflow’) geschieht durch den (die) Lehrer - auch vom Home-PC aus. Arbeitsaufträge für alle werden als öffentlicher Kommentar oder Diskussionsbeitrag übermittelt, Ratschläge zu einzelnen Beiträgen als privater Kommentar oder Kommentar an die Autorengruppe, ebenso die Rückfragen von Schülern.

Rechte: Über die Registrierug kann gesteuert werden, welcher Autor und Leser auf welche Teile der Datenbank Zugriff hat.

 

Da der Server über Standleitung an das Internet angeschlossen ist, kann im Prinzip weltweit jeder am Geschehen teilnehmen, der über einen Internetzugang verfügt.

 

1.2.2 Didaktisches Konzept

Sowohl der Mathematikunterricht als auch der Unterricht im Seminarkurs basiert überwiegend auf selbständigem Arbeiten der Schüler oder auf Gruppenarbeit. Die Arbeitsaufträge werden in Form von Referatsthemen erteilt, von den Schülern innerhalb einer gewissen Frist bearbeitet und auf dem Server abgegeben. Bei den Themen handelt es sich meistens um offene Fragestellungen, deren Bearbeitung ein selbständiges Recherchieren der Schüler erfordert (im Internet oder einfach in der Schulbibliothek). Die Ergebnisse können in verschiedenen Stadien abgegeben werden und durch Materialien (multimedial) ergänzt werden.

 

Durch die ständige Verfügbarkeit des Computers (mit CAS) gehen die Inhalte im Mathematikunterricht weit über den konventionellen Lehrplan hinaus, d.h., auf dem CAS-Server entsteht die Basis für den Mathematik-Lehrplan von morgen.

 

 

1.3 Intranet und Internet

Das eigene Notebook des Schülers und die darauf installierte Software sollten für die Mobilität und ständige Verfügbarkeit des Mediums sorgen. Das ist eine technische Zielsetzung des Projekts. Das zweite und gleichrangige Ziel ist es, auch für eine Vernetzung zu sorgen. Aus einem einfachen Grund: Es wird in absehbarer Zeit nicht möglich sein, alle Gymnasiasten mit einem Notebook zu versorgen, aber es war schon zu Beginn des Projekts absehbar, daß sich die Vernetzung bald realisieren läßt. Der Schüler muß also nicht seine Arbeitsblätter in der Schule in sein eigenes Notebook eintippen, das Notebook nach Hause tragen und dort mit diesem Gerät weiter arbeiten. Er arbeitet in der Schule mit einem (stationären) Computer des Schulnetzes, geht nach Hause und arbeitet dort mit dem eigenem PC (der schon bald in jedem Haushalt stehen wird) weiter. Der Lehrer macht das Gleiche. In einer vernetzten Welt wird die Mobilität überflüssig. Man transportiert weder Disketten noch ganze Rechner (Notebooks), man transportiert nur noch Daten - über Leitungen. Dazu muß man nicht einmal selbst in die Schule oder nach Hause gehen: Telelearning.

Der mobile Computer war aber eine notwendige Übergangslösung, denn die Entwicklung der neuen Technologien beschleunigt sich ständig und wir stehen vor der Aufgabe, mit den heute zur Verfügung stehenden und finanzierbaren Mitteln zu erkunden, wie wir uns in der technologisierten Welt von morgen zurechtfinden können. Das Medium dominiert zur Zeit die Aktion. Damit müssen wir uns abfinden. Aber das Medium eröffnet auch viele neue Aktionen. Am Isolde-Kurz-Gymnasium haben wir versucht, der rasanten technischen Entwicklung in folgenden Schritten gerecht zu werden:

Die Maple-Worksheets müssen in geordneter und übersichtlicher Form auf den Notebooks der Schüler vorliegen und mit geeigneten Konventionen weitergegeben (‘hochgeladen’) werden. Fabian Hust hat dafür zwei Programme geschrieben. Der ‘MWS-Explorer’ ist eine für diesen Zweck spezialisierte Datenbank, in der die Schüler ihre Beiträge auf ihren Notebooks archivieren. Das ‘MWS-Uploadtool’ standardisiert die Abgabe der Beiträge im lokalen Netz (LAN).

Das LAN wurde so eingerichtet, daß jeder Benutzer sein eigenes Verzeichnis hat und somit der gesamte Kurs Materialien lokal zur Verfügung stellen kann (innerhalb der üblichen Verzeichnisstruktur). Von hier kann sich auch der Lehrer Beiträge auf den Home-PC holen und die Interna regeln (ebenso Schüler mit DFÜ-Anschluß).

Jeder Schüler verfügt über eine eigene E-Mail-Adresse und ist somit für alle Beteiligten zum Zweck der internen Kommunikation über das Netz zu erreichen.

An der Fachhochschule Reutlingen und am Belwue wurden WWW-Seiten eingerichtet, die zur externen Kommunikation dienen. Hier werden die Arbeiten der Schüler laufend veröffentlicht und aktualisiert: ‘Virtuelles Klassenzimmer’. Daß dieses Angebot von den Maple-Usern in der Welt genutzt wird, zeigen die Server-Statistiken. Im Februar 1998 haben allein auf den BelWue-Server im Maximum 600 Besucher pro Tag zugegriffen und 11000 Dateien angefordert (etwas kleinere Zahlen beim FH-Server, auf dem ältere Beiträge verfügbar sind). Etwa ein Viertel der Anfragen bezog sich auf Maple-Dateien.

Die Pflege von WWW-Seiten (Dateitransfer mit FTP und Aktualisierung der Links) ist von einem einzelnen Webmaster bei diesem Volumen nicht mehr durchführbar. Deshalb wurde ein schuleigener Datenbank-Server (Lotus Notes Domino) frühzeitig konzipiert und so eingerichtet, daß ‘er sich selbst pflegt’, d.h., die Abgabe, Aktualisierung, Einordnung, Recherche und zugehörige Kommunikation wird nicht mehr zentral von einem Administrator durchgeführt, sondern dezentral von jedem Benutzer selbst. Dadurch ist gewährleistet, daß das Vorhaben Telelearning auch skalierbar bleibt. So entstand der CAS-Server.

 

Diese technischen und organisatorischen Vorkehrungen bilden die Grundlage für Telelearning schlechthin. Ihre Realisierung haben einige wichtige Erkenntnisse für die Praxis geliefert. Unter dem Aspekt ‘Verwaltung’ sollte aber noch erwähnt werden, daß ein Projekt dieser Größenordnung nur von einer Mannschaft getragen werden kann. Alle oben genannten Tätigkeiten und Aufgaben werden deshalb von speziell dafür ausgebildeten Schülern übernommen (seit dem Schuljahr 97/98 zum Teil auch Schüler aus einem vorgezogenen Seminarkurs). Dies unterstreicht ein weiteres Mal, wie man mit den neuen Technologien auf natürliche Art Schüler zu den viel zitierten ‘Schlüsselqualifikationen’ führen kann, hier insbesondere zur Verantwortung.

Damit sich die Investition auch lohnt, sollten die Notebooks nicht nur in Mathematik eingesetzt werden. Sie sind deshalb voll multimediafähig (CD, Soundkarte, Lautsprecher, Mikrophon) und wurden am IKG auch (zur Hälfte) mit Netzwerkkarten bestückt. Nach einer Eingewöhnungsphase, in der sie ausschließlich in Mathematik eingesetzt wurden, war es den Schülern freigestellt, sie auch in anderen Fächern zu verwenden. Dadurch hat sich fast von selbst ein fächerverbindender Unterricht ergeben - einfach durch das (Multi-)Medium. Zunächst haben wir das Notebook auch in Physik eingesetzt, weil in diesem Fach aus den vorangehenden Jahren schon einige Worksheets und auch Unterrichtserfahrung vorhanden war.

In Deutsch ergab sich dann das ‘Nathan-Projekt’, das von Hern Breddin durchgeführt wurde, und nun in Klassenstufe 12 Goethes Faust (Frau Bonnet).

In Geschichte wurde die Klassenfahrt nach Kreisau dokumentiert (Herr Jung).

Einige der ‘Laptop-Schüler’ nahmen auch an einem vorgezogenen Seminarkurs teil und so konnte hier der fächerverbindende Unterricht fortgesetzt werden:

In Musik wird die Zeitschrift Me-Me herausgegeben (Herr Förstel) und inzwischen ist jeder Schüler dabei, seine eigenen Internetseiten auf dem Notebook zu erstellen. Hier seien besonders hervorgehoben:

Science - World Launcher (Mathematik, Astronomie, Chemie, Physik, Stephan Simon) und

The House of Blues (Armando Häring). Es entstehen aber laufend weitere Seiten, die auch durchaus fachliche Qualität aufweisen. Darüber hinaus hat nun jeder Schüler seine eigene E-Mail-Adresse und kann seine Post wahlweise im LAN, auf dem Notebook oder zu Hause abholen. Durch diese außermathematische Nutzung der Geräte haben die Schüler sicher sehr viel gelernt: Die Bedienung der Programme (vom System und Netzwerk über E-Mail und Hypertext bis zum Filetransfer und der Organisation und Pflege von Webseiten) steht dabei auf den ersten Blick im Vordergrund, aber wichtiger sind die ‘nebenbei’ erworbenen Qualifikationen der Kooperation und Bereitschaft zur Verantwortung, die auch von allen anderen Kollegen, die in der Klasse unterrichteten immer wieder lobend erwähnt wurden.

Durch diese Aktivitäten und unsere Präsenz im Internet kam es schließlich zu einer Einladung nach Kanada, die wir mit einer Studienfahrt an Pfingsten 1998 gerne annahmen: Die neuen Technologien (und ihr konsequenter Einsatz) haben Kontakte ermöglicht, die nun zum bilingualen Unterricht und interkulturellen Austausch führen.

All diese Aktivitäten wurden (z.T. live) auf unseren Schulseiten http://www.ikg.rt.bw.schule.de dokumentiert.

 

 

1.4 Das Elektronische Buch als neues Medium

Da die Unterrichtsinhalte weitgehend feststanden (auch was die zeitliche Planung betrifft), konnte zur Einführung der Infinitesimalrechnung in Klasse 11 weitgehend auf vorhandene eigene Materialien aus dem Mathematik- und Physikunterricht zurückgegriffen werden. Die entsprechenden Worksheets wurden dem Mathematikunterricht in Klasse 11 angepaßt, auf Release 5 umgeschrieben, durch neue ergänzt und mit Hyperlinks versehen, so daß ein ‘Elektronisches Mathematikbuch’ entstand. Für die Klassenstufen 12 und 13 wurde das Elektronische Buch laufend ergänzt. Dieses Buch, das allen Teilnehmern des Projekts im Internet zur Verfügung steht, und sich laut Statistik auch außerhalb des Projekts einer regen Nachfrage erfreut (siehe http://www.ikg.rt.bw.schule.de/mbuch.htm), übernimmt im Unterricht weitaus mehr Funktionen als ein herkömmliches Buch. Ich möchte sogar behaupten, daß ein Elektronisches Buch das Paradebeispiel für die Änderungen des Unterrichts durch die neuen Medien ist, wie man an folgender Gegenüberstellung sieht:

Gedrucktes Buch: Hinführende Texte (Begriffsbildung), Aufgaben, Erläuterungen, Orientierung (Inhalt und Index), manchmal auch Lösungen und Kontrollfragen.

Elektronisches Buch: Alle Merkmale eines herkömmlichen Buchs, dazu kommt:

Keine Alterung, ständig aktualisierbar, frei kopierbar.

Wesentlich neu ist aber die interaktive Arbeit mit einem Elektronischem Buch und die Möglichkeit, zur Kapselung der Inhalte und Methoden in verschiedenen Tiefen.

Das Worksheet-Konzept: Lösungen können im Buch erarbeitet und kontrolliert werden.

Buch und Heft in einem, Ergebnissicherung an Ort und Stelle (individuell oder für die Klasse verbindlich).

Aufgaben können leicht variiert werden.

Anmerkungen und Ergänzungen können in das persönliche Buch eingetragen werden (als Text und als Befehlszeilen).

Eigene Hyperlinks ermöglichen das Auffinden von Information und fördern Assoziationen.

Das Inhaltsverzeichnis bietet nicht nur eine lineare Struktur, sondern über Hyperlinks eine Verflechtung der Inhalte (z.B. verschiedene ‘Touren’).

Ein vorgegebener Index ermöglicht interaktives Suchen und kann vom Anwender selbst ergänzt werden.

Das Buch steht bei der Klassenarbeit zur Verfügung (und wird zum Teil auch durch ausdrückliche Bezugnahme in der Fragestellung benutzt).

In einem Apparat können Hilfestellungen gegeben werden (Glossar, allgemeine Kommentare zur Didaktik, spezielle Tips und Lösungen).

 

Dazu kommen bei einem elektronischen Buch noch die bekannten Möglichkeiten multimedialer Anwendungen, die - konsequent eingesetzt - eine vollständige Lernumgebung schaffen. Wir sind im Projekt noch ein gutes Stück von der Perfektion entfernt, aber es ist schon jetzt sichtbar, daß diese Techniken ungeahnte Möglichkeiten mit sich bringen, die den Unterricht (allgemein) nicht nur effizienter sondern auch reicher machen.

 

 

 

1.4.1 Der neue Mathematikunterricht

Der Weg zur neuen Mathematik führt über die Technik, oder wie es in unserer Zeit heißt über die ‘neuen Technologien’. Denn die Technik ist es, die den Strukturwandel ermöglicht und stellenweise auch erzwingt. Der neue Mathematikunterricht hat keine reine Blockstruktur mehr sondern wird vernetzt und kommt damit assoziativ und visuell denkenden Schülern sehr entgegen.

Und die Vernetzung ist eines der wichtigsten Merkmale der neuen Technologien und zwar durchgehend - lokal und global. Hypertext ermöglicht die interaktive Nutzung von Querverweisen innerhalb eines Dokuments oder auf andere Dokumente auf dem selben Computer. Lokale Netzwerke ermöglichen den Zugriff auf Dokumente, die auf anderen Computern in einer kleineren Einheit (z.B. Schule) stehen. Globale Netzwerke verbinden lokale Netzwerke. Im Endeffekt kann von jedem Notebook aus auf alle Dokumente der Welt zugegriffen werden, die für diesen Zugriff freigegeben sind. In dieser vernetzten Welt werden unsere Schüler morgen geprüft werden, wenn sie die Klausuren unsere Schulen bestanden haben.

Der nach Inhalten gegliederte Aufbau des Mathematikunterrichts hat eine gute Tradition. Das Fach selbst ist wohl strukturiert und bietet eine Kategorisierung an. Der Lernende findet sich leichter zurecht, wenn er weiß, in welchem Teil des mathematischen Gebäudes er sich bewegt, und erwirbt so eher und zuverlässiger Fertigkeiten. Man kann aber die mathematischen Etüden auch übertreiben und den ohnehin beim Lernenden vorhandenen Hang zum Schubladendenken fördern, wenn man - wie in den meisten Schulbüchern - seitenweise Aufgaben stellt, die mit einem einzigen Ansatz gelöst werden können, der meist schon der Überschrift zu entnehmen ist. Umgekehrt ist es schwierig, mit den herkömmlichen Medien die durch die Struktur des Faches vorgegebenen Grenzen zu überspringen: Eine Unzahl von Querverweisen in gedruckter Form würde unnötig vom aktuellen Thema ablenken und die Orientierung erschweren. Dadurch geht aber notwendigerweise in einem gedruckten Mathematikbuch der Beziehungsreichtum der Mathematik verloren. Der Schüler hat kaum eine Chance, Analogien zu entdecken und Assoziationen zu knüpfen, weil er (zumindest vom Buch) linear durch die Mathematik geführt wird. Natürlich wird ein guter Mathematiklehrer versuchen diesen Defekt der herkömmlichen Medien auszugleichen, aber das ist nur in engen Grenzen möglich, weil bei der nächsten Klassenarbeit eben Aufgaben dran kommen, die zum ebenso linear strukturierten Lehrplan oder einer linear strukturierten Abi-Aufgabe passen.

Aber Mathematik betreiben heißt nicht Konzepte abspulen - dazu haben wir inzwischen den Computer. Mathematik betreiben heißt Konzepte finden, Prinzipien finden und - sie beweisen (vielleicht haben wir auch dazu morgen den Computer). Der Mathematiker als Forscher weiß das. Aber für die meisten Didaktiker der Schulmathematik bedeutet das einen Paradigmenwechsel: Von der Fertigkeit zur Fähigkeit. Es scheint nun so, als würde dieser Paradigmenwechsel durch die neuen Technologien nicht nur ermöglicht, sondern sogar erzwungen. In einem elektronischen Mathematikbuch muß nur ein Hyperlink angeklickt werden, um zu einem verwandten Thema zu springen. Dabei muß das Ziel des Links nicht im gleichen Buch auf dem gleichen Computer liegen, es kann sich irgendwo auf der Welt befinden. Mit dieser Topologie muß die Didaktik der neuen Mathematik fertig werden. Viele Didaktiker schrecken vor dieser Aufgabe zurück und viele Mathematiklehrer bevorzugen einen Unterricht (und eine Korrektur von Klassenarbeiten), der innerhalb einer Schublade bleibt: Nur so könne der Schüler etwas lernen. Es ist auch in der Tat nicht problemlos, Schüler, die 10 Jahre lang linear und rezeptiv unterrichtet wurden, mit der Vielfalt der Mathematik zu konfrontieren.

 

 

2 Didaktik

Es ist nicht einfach, den aktuellen Stellenwert der Didaktik anzugeben, weil wir mitten in einer technischen Revolution leben, die überdies noch mit einer grundsätzlichen Debatte über die Didaktik der Mathematik oder sogar über den Sinn des gegenwärtigen Mathematikunterrichts an Schulen verquickt ist - nicht ohne Grund. Aber vielleicht lassen sich diese Fragen so beantworten:

Auf der MNU-Lehrplantagung Mathematik 1995 begann der Didaktiker Helmut Heugl sein Referat (Vorstellung des österreichischen DERIVE-Projekts) etwa so: „Man sollte sich immer im klaren darüber sein, welche Faktoren mit welchem Gewicht zum Lernerfolg beitragen: Motivation 90%, soziales Umfeld (Klasse) 5%, Arbeitsmaterial 2%, Methode 2% und didaktische Konzeption 1%". Es mag etwas Understatement dabei sein und über Prozentzahlen läßt sich immer streiten. Bemerkenswert ist aber in jedem Fall die Relativierung der Konzeption - gerade in unserer Zeit der ‘Lernsoftware’, die manchmal wie ein neuer Nürnberger Trichter angepriesen wird - und die Betonung des rein psychologischen Faktors Motivation.

Vor diesem Hintergrund (90% Motivation) sollte man alle Empfehlungen zum Mathematikunterricht von morgen sehen: Mit den neuen Technologien läßt sich eine sehr hohe Motivation erreichen. Außerdem möchte ich für die nun folgenden Beispiele noch einmal festhalten:

 

Der Schwerpunkt des Projekts am IKG lag nicht bei fachdidaktischen Details der Mathematik sondern bei dem Versuch, den Computer als Hauptmedium im Unterricht einzusetzen.

Die wichtigste Erfahrung aus meinem Unterricht mit CAS in den Klassen 11 bis 13, die ich schon in den drei Jahren vor dem ‘Mobilen Klassenzimmer’ machen konnte, lautet: Flexibilität! Das heißt, es erscheint nicht sinnvoll, für eine bestimmte Unterrichtseinheit eine bestimmte Methode zu empfehlen, denn es läßt sich gerade mit einem CAS auch immer die umgekehrte Methode begründen.

Die Reduktion des Unterrichts mit CAS auf den bestehenden Lehrplan würde nach drei Jahren CAS-Kursen keine wesentlich neuen Erkenntnisse bringen. Daß sich der Unterrichtsgang dennoch relativ eng an bekannte Themen hielt, ist das Ergebnis der Forderung nach einer zentral gestellten Abituraufgabe.

 

 

 

2.1 Beispiele zur Mathematik mit CAS

2.1.1 Das Werkzeug

Man beginnt naturgemäß mit der

Einführung in die Bedienung des Rechners und Windows: In einer ‘normalen Klasse’ mußte etwa die Hälfte der Schüler mit den elementaren Handgriffen und Strukturen vertraut gemacht werden. Zeitbedarf etwa 4 Wochen (parallel zum Mathematikunterricht), minimiert durch die tatkräftige Hilfe der zweiten Hälfte der Klasse, die sich gut bis sehr gut mit Windows (und bald auch mit dem Rechner) auskannte. Es folgte eine

Einführung in das CAS Maple. Dabei galt:

Zunächst beschäftigen wir uns mit der Sprache Maple so lange, bis wir sie (und die Fehlermeldungen) sicher beherrschen. Wir begnügen uns zu diesem Zweck mit einfachen mathematischen Fragestellungen.

Zum Zweck der Veranschaulichung und Begriffsbildung können auch vom Lehrer vorgegebene Maple-Passagen (Befehle) vorkommen, die erst später verstanden werden können (wenn wir die Sprache besser beherrschen). Diese Passagen werden (obwohl sichtbar) als Black-box behandelt und später ‘geöffnet’.

 

Und das funktioniert! Es funktioniert sogar so gut, daß die Schüler einfach durch Gewöhnung lernen, CAS-Befehle ‘mit denen sie nichts anfangen können’ einerseits zu ‘übersehen’, andererseits aber richtig auszuführen und sogar zu modifizieren. Sie lernen Strukturen (meistens durch trial and error) und das ist weit mehr als das Drücken eines Knopfs auf dem Taschenrechner (welcher Schüler - und Lehrer - weiß schon was sich in diesem Moment alles im Taschenrechner abspielt, in der Hard- und Software?). Dennoch liegt hier die zentrale Aufgabe für die Didaktik der Mathematik (mit CAS) von morgen.

 

Schon an dieser Stelle läßt sich aber als wichtigstes Ergebnis festhalten:

Zu Beginn des Unterrichts mit CAS muß ein solides Grundwissen im Umgang mit der Sprache geschaffen werden. Dies darf nicht verwechselt werden mit einer übertriebenen Anhäufung von ‘Befehlen auf Vorrat’.

Es ist sicher sehr zweckmäßig, in Zukunft die Sprache eines CAS statt Pascal als erste Programmiersprache in ITG einzuführen. Dadurch könnte man in der Oberstufe praktisch nahtlos (Schüler und Lehrer) in den Mathematikunterricht mit CAS einsteigen.

2.1.2 Mathematische Inhalte

Die Unterrichtsgegenstände in den Klassen 11 bis 13 lassen das Herz eines jeden Mathematiklehrers höher schlagen: Spätestens hier kann man Schülern zeigen, wie Mathematik das Denken schult, und wie der Beziehungsreichtum dieses Faches zu vernetztem und assoziativem Denken motiviert. Der Dreh- und Angelpunkt ist dabei der Einstieg in die Analysis und damit auch in die analytische Geometrie. Das oberste Ziel des Mathematikunterrichts in der Oberstufe ist es also, diese Ästhetik zu vermitteln. Man sollte auch versuchen, einem Gymnasiasten das ‘Wunder der Naturwissenschaften’ begreiflich zu machen: Wir (die Genies Newton, Leibniz, Einstein,...) haben Formeln gefunden, die es uns erlauben, die Natur zu berechnen! Gab es diese Formeln schon immer?

Vor diesem Hintergrund, der gleichzeitig globales Ziel ist, muß die Mathematik in der Oberstufe unterrichtet werden: Warum funktioniert das alles so? Gibt es einfache Regeln? Wie bekommt man den Überblick?

 

2.1.2.1 Differential- und Integralrechnung

Wir entwickelten den Ableitungsbegriff nicht aus dem ‘Tangentenproblem’, sondern aus der stückweise gleichförmigen Bewegung, bei der die Geschwindigkeit eine Treppenfunktion ist. Bei diesem Zugang sind Stammfunktion (Weg) und Ableitung (Geschwindigkeit) von vornherein ein Funktionspaar, das auch beim Grenzübergang simultan behandelt wird. Das Ableiten und Integrieren wird nicht auf zwei Schuljahre verteilt, sondern ist von Anfang an eine logische Einheit (freilich steht in Klasse 11 zunächst das Ableiten im Vordergrund). Obwohl es sich um ein klassisches Vorgehen handelt, läßt sich gerade an diesem Thema zeigen, welche didaktischen Innovationen durch ein CAS möglich werden, ja dieses Thema ist geradezu das Paradebeispiel für einen Mathematikunterricht, der nur mit einem CAS so gemacht werden kann - und zwar auf verschiedenen Ebenen:

Visualisierung: Das Funktionspaar kann mühelos realitätsnah und exakt in vielen Variationen dargestellt werden. Besonders in Animationen wird der Grenzübergang sichtbar, und bereitet über die Vorstellung eine Art der Begriffsbildung vor, wie sie mit herkömmlichen ‘toten Medien’ nie zu erreichen ist.

Experimentieren: Das CAS verarbeitet ‘beliebige’ Funktionspaare. Ohne Kenntnis der Ableitungs- und Integrationsregeln kann der Schüler alle Funktionen, die er bisher kennengelernt hat ‘durchtesten’. Dies fördert das Abstraktionsvermögen nachhaltig, weil sich der Schüler auf das Thema konzentrieren kann, ohne durch Rechenfehler oder zeitaufwendiges Zeichnen abgelenkt zu werden.

Übung und Kontrolle: So wie man bisher mit einem Taschenrechner etwas nachrechnen konnte, kann man mit einem CAS nun etwas symbolisch nachvollziehen. Egal welche Aufgabe gestellt wird, das CAS liefert die Lösung (zukünftige Mathematikbücher werden also keine Lösungen mehr enthalten, in denen die Ergebnisse zu Aufgabe 1 bis 17 stehen: diese Ergebnisse werden nun dynamisch (interaktiv) erzeugt). Dazu kommt, daß ‘Übung und Kontrolle’ bei der Arbeit mit einem CAS immer wechselseitig und mehrschichtig abläuft. Einfaches Beispiel: Man berechnet eine Ableitung von Hand und kontrolliert sie mit dem CAS oder umgekehrt.

Mathematisierung: ‘Saubere Definitionen’ und Sätze können mit einem CAS besonders schön erarbeitet werden. Das reicht von dem schnell verfügbaren Gegenbeispiel über die gut strukturierte Formulierung im Textteil bis zu CAS-gestützten Beweisen, in denen die Logik nicht zu kurz kommt. Aber auch ein ‘Blick hinter die Kulissen’ kann (für Fortgeschrittene) lehrreich sein: Wie berechnet Maple die Ableitung? Wer sich Maple-Prozeduren einmal anzeigen läßt, sieht die Vorstufe zur künstlichen Intelligenz.

 

2.1.2.2 Kurvendiskussion

Die im CAS-Zeitalter etwas in Verruf geratene Kurvendiskussion ist selbst eine Anwendung, mit der sich viel lernen läßt - gerade mit einem CAS. Zunächst steht wieder die bis dahin nie gekannte Anschaulichkeit im Vordergrund. Funktionen werden für die Schüler zu ‘begreifbaren Wesen’: Besonders beeindruckend ist in dieser Hinsicht, daß man nun in Maple V Release 5 einen Funktionsterm mit der Maus in ein Plotfenster ziehen kann, wo er sich in eine Kurve verwandelt. Umgekehrt kann man eine Kurve aus einer Zeichnung auswählen und in den zugehörigen Term verwandeln. Nimmt man noch die Animation hinzu, so wird die Formulierung ‘begreifbare Wesen’ klar. Ich kann mir wirklich keine engere Bindung abstrakter Term - reales Bild vorstellen. Hier erweist sich das CAS den herkömmlichen Methoden als haushoch überlegen und eignet sich hervorragend zur Schulung beim Erkennen und Kennenlernen von Funktionen. Schließlich sollte man auch nicht die Ästhetik vergessen. Es ist einfach schön, Kurven zeichnen zu können, die nicht verwackelt und eckig sind. Auch der ungeschickte Schüler hat nun die Möglichkeit, Kurven zu zeichnen, die an sich schön sind und wird dadurch seinerseits animiert, das Zeichnen auch von Hand zu üben.

Es ist auch nicht ganz richtig, immer wieder darauf abzuheben, daß die Kurvendiskussion mit einem CAS sinnlos wird. Zuerst muß ja ein Worksheet geschrieben werden, daß möglichst mit allen Termen fertig wird. Und da lassen sich die Ansprüche an die Programmierfähigkeit der Schüler leicht sehr hoch schrauben! Und wer dann so ein Universal-Worksheet geschrieben hat und damit umgehen kann, der hat mit Sicherheit verstanden, was Kurvendiskussion bedeutet.

Ebenso sind Extremwertaufgaben nach wie vor ein gutes Feld für Anwendungsaufgaben (es muß ja nicht immer die viel strapazierte Milchtüte sein), das sich an das Thema Kurvendiskussion anschließt. Man kann aber auch an Variationsaufgaben denken.

 

2.1.2.3 Kurvenscharen

Auch dieses Thema bleibt als solches interessant und kann mit einem CAS wie im konventionellen Unterricht behandelt werden. Aber neben den oben genannten CAS-spezifischen Möglichkeiten lassen sich anhand dieses Themas zwei weitere Merkmale eines CAS-gestützten Unterrichts gut darstellen, die im konventionellen Unterricht nie möglich sind.

Vernetztes Denken: In der Mathematik gibt es Themen, die wie Knoten in einem Netz fungieren. Besonders interessant sind dabei Knoten, an die viele Beziehungen geknüpft sind und bei den Kurvenscharen handelt es sich um einen solchen Hauptknoten. Man kann nun mit Hyperlinks diese Vernetzung nachbilden, indem man Worksheets verknüpft, die mit Scharen zu tun haben: Scharen als solche, Übergang ins Dreidimensionale, gemeinsamer Punkt, Ortskurven, Isoklinen, Orthogonaltrajektorien, Scharen als Integralkurven, Scharen und Differentialgleichungen, Richtungsfelder, Feldlinien, Felder in der Physik, parametrisierte Felder. Das läßt sich in keinem gedruckten Buch machen. Mit einem hypertextfähigen CAS ist es aber eine einfache Übung, die überdies vom Schüler selbst noch interaktiv verändert werden kann. Sicher fällt es zu Beginn dem Neuling, der sich die Struktur ja erst erarbeiten muß, nicht leicht, mit der Informationsfülle und der großen Zahl von Möglichkeiten fertig zu werden. Aber schon nach kurzer Zeit, ‘wenn der erste Pfad durch den Dschungel gebahnt ist’, erleichtert gerade diese Informationsfülle Assoziationen und schult sie. Vielleicht ist das sogar das Wichtigste: Es gibt keine Anleitung dazu, wie man eine ‘Idee hat’, aber man kann den intuitiven Sprung erleichtern, nahelegen.

Mathematisches Universalwerkzeug: In der Mathematik gibt es Themen, die im Prinzip jeder Elftklässler verstehen kann, die aber bis heute an der Schule Tabu waren, weil sie für Schüler nur in trivialen Fällen ‘von Hand’ lösbar sind. Eins davon sind die Differentialgleichungen. Sie sind ein wichtiges Thema in den Naturwissenschaften und ein Thema, das immer mit einer Vielfalt von Funktionen zu tun hat: ‘Differentialgleichungen erzeugen Scharen’. Eine Schar ohne Differentialgleichung ist ganz schön, aber man weiß nicht, woher sie kommt und mußte es bis heute auch immer ‘geheim halten’. Ganz anders mit einem CAS: Man hat den Befehl ‘dsolve’ und schon ist die DG gelöst und eine neue Schar produziert, die obendrein noch eine wichtige Rolle bei der Lösung eines Problems oder bei einer Modellierung spielen kann. Es gibt keinen besseren Anwendungsbezug für den Ingenieur und den Architekten von morgen, aber auch für den Biologen und den Ökonomen tut sich hier ein reichhaltiges Betätigungsfeld auf. Von der analytischen Lösung kann man noch zu numerischen Methoden übergehen, alles mit diesem Universalwerkzeug CAS, aber undenkbar in einem konventionellen Unterricht.

 

2.1.2.4 Integralrechnung (in Klasse 11)

Der Hauptzweck der Integralrechnung ist das Lösen von Differentialgleichungen (schon seit Newton). Warum unterrichtet man das dann nicht so, sondern verwendet die Integralrechnung an der Schule fast ausschließlich dazu, Flächen und Volumina zu berechnen? Warum unterrichtet man diese Pseudo-Anwendung, die in der Praxis fast nicht vorkommt, weil man nur höchst selten eine ‘krummlinig begrenzte Fläche’ hat, deren Grenze als Funktion gegeben ist, sondern eher Meßdaten, die man zur numerischen Integration verwendet? Mit aus dem oben genannten Grund: Das Lösen von Differentialgleichungen kommt bis heute erst etwa im vierten Semester eines naturwissenschaftlichen Studiums vor. Nicht mehr! Der Befehl ‘dsolve’ macht das nun schon in der elften Klasse, denn die Rechenhürde ist weg und die Struktur wird sichtbar: ‘so funktioniert die Natur und so läßt sie sich durch DGLn beschreiben!’ Dabei ist zu betonen, daß man mit einem CAS im Gegensatz zu fertigen Modellbildungssystemen wesentlich näher an der Mathematik arbeitet, die hier nicht in black boxes versteckt wird wie etwa in den Symbolen von Modus (die freilich auch ihre Vorteile haben, z.B. beim Einstieg in die Problematik).

 

2.1.2.5 Folgen und Grenzwerte (Leistungskurs 12)

Ein Thema zur gedanklichen Durchdringung der Infinitesimalrechnung mit all ihren Facetten (von der simplen Nullfolge bis zur Mandelbrotmenge). Dies ist wieder ein Paradebeispiel für einen Mathematikunterricht der nur mit einem CAS so zu machen ist, und der auch erheblich mehr bringt als ein konventioneller Unterricht zu diesem Thema. Ich kenne nur wenige Mathematiklehrer und Schüler, die dieses Thema in einem Tafelunterricht bisher genossen haben. Es zählte von jeher zu den trockensten Themen der Schulmathematik - etwas für echte Mathematiker, die sich durch alles durchbeißen (was im Lehrplan steht). Diese Zeiten sind nun vorbei, denn ein CAS ermöglicht:

Bequeme Ausgabe von Zahlenfolgen (ohne jede Programmierung, es reicht der Befehl ‘seq’). Zeichnen von Punktefolgen. Experimentelle Mathematik: ‘Man sieht den Grenzwert’ den Zahlen und Punkten an, man stellt eine Vermutung auf und beweist sie. Begriffsbildungen wie Häufungspunkt und Grenzpunkt entstehen alleine durch das Hinschauen. In Referaten können komplexe Folgen behandelt werden. Beweise (z.B. vollständige Induktion) können programmiert werden, endlich hat Mathematik wieder etwas mit Logik zu tun und wenn man dem CAS in die Karten schaut, wird wieder ein Zipfel der künstlichen Intelligenz sichtbar, denn hinter dem Unterricht mit einem CAS steht ja immer die Frage: 'Wie schafft es diese Maschine, etwas symbolisch zu berechnen oder gar zu beweisen, worüber sich ein normaler Sterblicher (aber auch ein Schachweltmeister) ziemlich lange den Kopf zerbrechen muß?’ Wie hat man ihr all die notwendigen Fallunterscheidungen beigebracht? Welche Fallunterscheidungen und Schlußfolgerungen sind überhaupt notwendig, um eine gestellte Frage zu beantworten? Auch und gerade aus diesem Grund sei noch einmal betont, wie wichtig es ist, die Sprache des CAS zu beherrschen. Nur so kann man begreifen, wie hier Denken abgebildet wird, um dann an diesem Abbild wieder die Mathematik zu erkennen.

 

 

2.1.2.6 Gebrochen rationale Funktionen

Von der Folge zur Funktion, vom Diskreten zum Kontinuum. Unter diesem Motto gelingt mit einem CAS (aber auch an der Tafel) leicht der Übergang zum wichtigen Thema der gebrochen rationalen Funktionen. Aber nur mit einem CAS lassen sich die zentralen Fragestellungen wie Konvergenz, Divergenz und Asymptotik so behandeln: Ohne Kenntnis von irgendwelchen Ableitungsregeln. Das eigentliche Thema steht im Vordergrund der Schüler muß sich nicht mit der üblichen Lawine von Rechenfehlern bei der Quotientenregel plagen, er nimmt einfach den Befehl, den er schon immer genommen hat, wenn er eine Funktion ableiten wollte, oder die Befehlsfolge, die er schon immer genommen hat, wenn er einen Wendepunkt gesucht hat. Freilich bleibt er von den Ableitungsregeln nicht verschont. Im Gegenteil: Es dauert nicht lange und er will sie von sich aus wissen, weil er sich wundert, weshalb das alles so schön funktioniert. Da ist sie wieder die experimentelle Mathematik! Nichts motiviert so stark wie die Neugierde. Also werden die Ableitungsregeln nachgereicht, symbolisch mit Hilfe des CAS (nach entsprechenden Vermutungen). Wie kann man sie beweisen? Mit der linearen Approximation! Von Hand und mit dem CAS. Und nun müssen die Regeln natürlich internalisiert werden: Übungen von Hand, Kontrolle mit dem CAS - eine unendliche Aufgabensammlung mit einem ebenso mächtigen ‘Lösungsheft’ steht zur Verfügung.

 

2.1.2.7 Integralrechnung (Leistungskurs 12)

Nach der Behandlung von Folgen und Reihen kann der Integralbegriff als solcher zu vertieft und ‘mathematisiert’ werden: Summendefinition des Integrals. Welcher Lehrer kann Ober-, Unter- und Zwischensummen zu beliebigen Funktionen als Animation darstellen und gleichzeitig die zugehörigen Flächeninhalte auf 20 Stellen genau angeben, so daß man den Grenzwert leicht errät? Welcher Lehrer kann diesen Grenzwert für beliebige Funktionen sofort angeben? Nur der Lehrer, der ein CAS als zweite Autorität in seinem Unterricht akzeptiert. Und das sollte jeder Lehrer den Schülern zu liebe tun, denn diese zweite Autorität hat noch weitere angenehme Eigenschaften: Sie läßt sich in ein Notebook packen, mit nach Hause nehmen und zu jeder Zeit an jedem Ort befragen. Die Flexibilität des CAS erleichtert die Abstraktion und Begriffsbildung auch hier wieder sehr stark. Das Gleiche gilt für das Finden von Integrationsregeln, aber auch für das Training. Auch wenn die Fertigkeiten nicht mehr so sehr im Vordergrund stehen: Durch geeignete Packages können z.B. die Integration durch Substitution oder die Produktintegration in ihre einzelnen Schritte zerlegt und am Rechner geübt werden. Das schult den Blick für den richtigen oder zweckmäßigen Ansatz in kurzer Zeit, weil Rechenfehler vermieden werden. Außerdem ist es immer wieder eine Herausforderung, ein Integral, das von dem CAS mit einem einfachen Befehl (oder per Mausklick) berechnet wird, auch von Hand zu knacken, wobei auch die Termumformung nicht zu kurz kommt, wenn man das eigene Ergebnis mit dem des Rechners vergleicht. Darüber hinaus lassen sich z.B. mit einem Zufallsgenerator beliebig viele Aufgaben stellen.

 

 

2.1.2.8 Analytische Geometrie

Mit dem in Maple V Release 5 wieder eingeführten und überarbeiteten Package ‘Geom3d’ kann man ‘Geometrie pur’ betreiben. Mit einfachen Befehlen wie point, line, plane oder sphere lassen sich geometrische Objekte definieren, auf ihre Eigenschaften untersuchen und manipulieren. Das eröffnet einen völlig neuen Zugang zur Geometrie. Anstatt wie bisher über die lineare Algebra rechnerisch und mühsam zur Geometrie vorzudringen, kann man mit der Geometrie selbst im Anschauungsraum beginnen. Die Objekte können ohne Mühe dreidimensional dargestellt werden. Man sieht, ob sie sich schneiden oder berühren und kann die Bedingungen dafür interaktiv ändern und das Ergebnis aus allen möglichen Blickwinkeln betrachten. So wird der Schüler auf natürlichem Weg auf die Frage der Mathematisierung geführt: Welche Gleichungen stecken hinter diesen Darstellungen? Wie berechnet das CAS diese Graphiken? Und natürlich stehen auch diese Gleichungen zur Verfügung. Zu jedem geometrischen Objekt können die Bestimmungsgleichungen abgefragt aber auch selbst erstellt und modifiziert werden. Das CAS beseitigt zwei entscheidende Hürden im Geometrieuntericht: Die zeitaufwendige Zeichnung dreidimensionaler Objekte und die ebenfalls zeitaufwendige und fehlerträchtige Behandlung von Gleichungssystemen. Dadurch ist von vornherein der Blick für das Wesentliche und die Struktur (geometrisch und algebraisch) frei. Das bedeutet wiederum nicht, daß man auf herkömmliche Methoden und Fertigkeiten verzichten muß. Man nähert sich diesen Fertigkeiten nur anders, sozusagen von außen nach innen, indem man schrittweise die vorgefertigten Befehle durch eigene Befehle und schließlich durch eigene Rechnung von Hand ersetzt.

 

 

Zusammenfassend läßt sich sagen: Mit dem CAS und Hypertext haben wir die Möglichkeit, Mathematik so zu unterrichten, daß von vornherein die Struktur der Mathematik komplett sichtbar wird. Diese totale Transparenz würde den Schüler überfordern, wäre er auf sich allein gestellt. Es hat sich aber in unserem Schulversuch gezeigt, daß die Schüler durchaus in der Lage sind, sich in diesem mathematischen Netz zurechtzufinden, ja daß dies sogar zu Abenteuerreisen ermuntert. Nur muß der Lehrer Geduld haben und darf nicht auf sofortige Umsetzung drängen. Der Lehrer kennt ja die Mathematik, das Reiseziel und die möglichen Wege schon (mit Papier und Bleistift und mit CAS). Er muß dem Schüler Zeit lassen, diese Pfade zu finden.

 

 

2.2 Unterrichtsformen und Methoden

Dieser Bericht mag vielleicht an manchen Stellen den Eindruck erwecken, daß man alles mit dem Computer machen müsse, was mit dem Computer gemacht werden kann. Aber so wurde natürlich nicht unterrichtet. Wir haben nur versucht, möglichst alles konsequent auszutesten, was wir im Rahmen unseres Projekts mit dem Computer machen können und was nicht. So ergab sich ziemlich bald ein Zeitverhältnis von 2:1 für die Arbeit mit bzw. ohne Computer, sowohl in der Schule als auch zu Hause.

2.2.1 Wochenthemen

Der typische Ablauf einer Unterrichtswoche hat sich bald so eingespielt: Es wird ein für alle verbindliches Thema ausgegeben, das etwa eine oder zwei Wochen lang behandelt wird. Je nachdem, ob es sich dabei um ein völlig neues Thema handelt oder um die Fortführung eines bekannten Themas mit Aspektverschiebung, kann man unterschiedlich vorgehen. Bei neuen (vom Lehrer gestellten) Themen ist es immer noch am zeitsparendsten und effektivsten, wenn der Sachverhalt zunächst konventionell an der Tafel erörtert wird, in einer Art Lagebesprechung oder als Brainstorming. Aus dieser Besprechung ergeben sich dann Planungsansätze für die selbständige Bearbeitung durch den Schüler. Dann folgt die eigentliche Arbeitsphase, in der (meistens aber nicht zwingend) das Thema am Computer von den Schülern individuell oder in Gruppen bearbeitet wird. In dieser Phase fungiert der Lehrer als Berater und sorgt dafür, daß der Stand der Arbeiten nicht zu stark divergiert. Abschließend wird das Thema in einer Stunde besprochen, und zwar meistens von Schülern, die ihre Ergebnisse (Arbeitsblätter) am Projektor vorstellen. Dieser Abschluß dient gleichzeitig der Ergebnissicherung (im Computer oder Heft) und dem Austausch der Arbeitsblätter. Bei diesem eher klassischen Unterrichtsverlauf ist also die selbständige Arbeit ‘geklammert’ von einem zentral geführten Einstieg und Abschluß. Man stelle sich eine konventionelle Unterrichtsstunde auf eine Woche ausgedehnt vor: Einstieg (Problematisierung/Motivation), Lösung/Durchführung, Übungsphase, Ergebnissicherung.

Die zentral geführten Abschnitte (Klammern) lassen sich aber ebenso in die Mitte legen. Dies bietet sich an, wenn man es nicht mit einem grundlegend neuen Thema zu tun hat. Dann bekommen die Schüler einfach einen ‘Forschungsauftrag’ und arbeiten von Anfang an selbständig (‘schwärmen aus’). In der Regel entstehen dann Probleme, Fragen, aber auch Lösungen, die den Erklärungsbedarf laufend steigern und man trifft sich zu einer Lagebesprechung ‘auf halbem Weg’, die dafür sorgt, daß alle etwa auf den gleichen Stand kommen und bis zum Ende selbständig weiterarbeiten können.

Wie immer in der Didaktik kann man nicht zwingend argumentieren, wann welcher Ablauf gewählt werden muß. Es läuft vielmehr auf Mischformen hinaus, die sich meist auch aus der Situation ergeben (z.B. wird vor Klausuren die experimentelle Mathematik in den Hintergrund treten und die Eergebnissicherung und Übung mehr Bedeutung bekommen).

 

 

2.2.2 Referate

Parallel zu den Wochenthemen werden von den Schülern umfassendere aber auch speziellere Themen in Referaten behandelt. Diese Arbeitsform ist in der Mathematik die eigentliche didaktische Innovation, die durch das CAS ermöglicht und ausgelöst wird: Der Schüler schreibt einen Erörterungsaufsatz zu einem mathematischen Thema. Freilich wäre das auch mit Papier und Bleistift möglich (und man hätte es schon immer tun sollen - jedenfalls in der Kursstufe), aber hier kommen die CAS-spezifischen Merkmale besonders zum Tragen:

Vollständige Textverarbeitung ermöglicht eine ansprechende und übersichtliche Form und Struktur.

Graphik ermöglicht Veranschaulichung.

Symbolisches Rechnen ermöglicht eine mathematisch korrekte Behandlung.

Bereits vorhandene Arbeitsblätter (lokal oder global) können eingebunden werden.

 

So wird der Schüler vom Konsumenten zu Produzenten und kann universitätsnah und vorwissenschaftlich arbeiten. Deswegen werden die Themen auch durchweg als offene Fragen gestellt und enthalten (zunächst) keinerlei Arbeitsanweisung. Der Schüler ist selbst für die Beschaffung von Information verantwortlich, wobei ihm sein Notebook, das LAN, das WWW, aber auch die Schulbibliothek, sein Buch und sein Heft zur Verfügung stehen. Die Themen können (und müssen manchmal) inhaltlich seinen Fähigkeiten angepaßt werden und reichen von Wiederholungen oder Zusammenfassungen von bereits Bearbeitetem bis zu Problemstellungen aus der höheren Mathematik, die sich ja nun mit einem CAS auch schon in Klasse 11 erfolgreich und selbständig von Schülern bearbeiten lassen (z.B. Differentialgleichungen oder Fraktale). Auf diese Weise erreicht man eine außerordentlich hohe Motivation und sehr gute Leistungen. Das hat auch folgende Gründe: Im Gegensatz zu Referaten in Papierform entwickeln Maple-Arbeitsblätter um so mehr eine Eigendynamik, je souveräner der Autor mit dem Universalwerkzeug CAS umgeht. Oft wirkt die erste Lösung eines Problems wie eine Initialzündung, die eine ganze Kette neuer Fragen aufwirft, die sich - und das ist wichtig - ‘sofort’ und interaktiv mit dem CAS beantworten oder weiter untersuchen lassen. Das berühmte Gegenbeispiel, mit dem man eine Vermutung widerlegen kann, ist in der Mathematik nirgends so schnell zu finden, wie mit einem CAS: Man probiert es aus, numerisch, symbolisch oder graphisch. Deshalb enthalten die Themen auch zunehmend Beweise oder jedenfalls Anregungen zur Verallgemeinerung und Abstraktion. Freilich darf man von Elftklässlern keine mathematischen Wunder erwarten. Aber hier fängt die Mathematik ja eigentlich erst an und es ist immer wieder auch für den Lehrer lehrreich, die verschiedenen Lerntypen zu beobachten und auch mit der gesamten Klasse zu diskutieren. Die Schüler entwickeln so ein Methodenbewußtsein von dem sie nicht nur hören, sondern das sie selbst erfahren. Das CAS an sich ist schon stark motivierend. Aber wenn man es behutsam angeht, kommt noch ein weiterer Motivationsschub hinzu: Webpublishing. Man muß das (insbesondere bei den Schülerinnen) behutsam angehen, weil es nicht jedermanns Sache ist, auch fehlerhafte und unfertige Produkte zu veröffentlichen. Aber hier kommen nun die Vernetzung und die neuen Kommunikationsmöglichkeiten zum Tragen. Wenn die erste Scheu abgelegt ist und der Lehrer nicht zu sehr auf Perfektion pocht, trauen sich auch die Schwächeren ‘ins Netz’, denn sie sehen ja die Produkte der anderen Teilnehmer, und so entsteht eine Worksheet-Werkstatt, in der im Prinzip jeder weltweit mitarbeiten kann. Die Klausur wird durch die Dynamik der neuen Technologien geöffnet und der Produktionsprozeß beginnt sich selbst zu regulieren, weil einer am Beispiel des anderen lernt.

Wenn man die abgegebenen Referate (siehe http://www.ikg.rt.bw.schule.de/virkla/) durchgeht, sieht man noch einmal den ganzen Fächer der individuellen Bearbeitungsmöglichkeiten (der übrigens auch aus dem Informatikunterricht bekannt ist): Der eine beginnt mit einem riesigen Inhaltsverzeichnis, arbeitet sehr viel mit Text und Layout und vergißt über der Form den Inhalt. Andere produzieren erst einmal eine Batterie von Plots ohne jeden Text. Der Programmierer-Typ versucht alles (auch Problemchen, die durch einfaches Nachdenken in kurzer Zeit und ohne CAS zu lösen wären) mit tief geschachteteln For-Schleifen zu ‘erschlagen’. Und der ‘geborene Mathematiker’ schreitet zielstrebig vom Einzelfall induktiv zur Lösung und Abstraktion, die er dann deduktiv auf eine erweiterte Fragestellung anwendet. Es gibt aber noch eine interessante Beobachtung:

Gerade die Schüler, die man im herkömmlichen Unterricht wohl eher als mittelmäßig einstufen würde, entwickeln - sich selbst überlassen und mit genügend Zeit ausgestattet - ein erstaunliches Geschick, Probleme nicht nur zu lösen, sondern auch die Lösung verständlich und manchmal sogar didaktisch sehr geschickt darzustellen. Das kommt offensichtlich daher, daß sie sich die Lösung selbst erarbeitet haben und dann wissen ‘wo’s lang geht’. Dieses Erfolgserlebnis teilt man natürlich gerne mit.

Anmerkung zu den Stichwörtern Sozialformen und Sozialkompetenz: So wenig Steuerung wie möglich, so viel Unterstützung wie nötig. Keine Einteilung in Gruppen durch den Lehrer, kein Aufbrechen von intakten Gruppen und kein künstliches Mischen. Gruppenpuzzle ist übrigens äußerst unbeliebt (Stichwort: ‘wissenschaftliche Anleitung zur Kreativität’).

2.2.3 CAS-Methodik

Es bleiben noch Beobachtungen allgemeiner Art, die die Arbeit mit CAS an der Schule betreffen. Sei es nun bei der Behandlung der Wochenthemen oder bei Referaten oder bei speziellen enger gefaßten Fragestellungen. Dabei sollte man CAS nicht mit herkömmlicher Lernsoftware verwechseln: Lernsoftware aber auch vollständige Lernumgebungen (und Fernstudium) sind eher dafür gedacht Fertigkeiten auszubilden und Faktenwissen anzuhäufen. Dazu wird der Schüler durch das Lernprogramm gesteuert. Das Gegenteil ist beim CAS der Fall: Der Schüler muß lernen, das Programm zu steuern, und zwar so, daß er damit ein (mathematisches) Problem löst. Allerdings läßt sich mit einem CAS auch eine ‘Lernumgebung’ aufbauen. Dies muß aber wieder durch den Benutzer (ggf. Lehrer) erfolgen. Das bedeutet im einzelnen:

Für den Unterricht mit einem CAS ist die Arbeit in einem Worksheet typisch, d.h., man arbeitet interaktiv mit einem selbständigen System, mit einer zweiten Autorität, aber auch mit einem Gehilfen. Und dieses Arbeiten (oder der Gebrauch des Werkzeugs) will zunächst einmal selbst gelernt sein. Dies geschieht aber ‘nach oben offen’ und in ständigem Wechselspiel mit dem mathematischen Problem, denn neue mathematische Fragen, können oft nur mit neuen Sprachelementen (oder neuen Packages) bearbeitet werden. Insofern handelt es sich um eine Doppelbelastung und der Lehrer hat dafür zu sorgen, daß sie in erträglichen Grenzen bleibt. Ein CAS ist zwar ein Ideenlieferant und ein Intuitionskatalysator, wenn man es beherrscht, aber auch gnadenlos und fast ohne jede Fehlertoleranz. Wenn man es nicht beherrscht, wird es zur unerschöpflichen Frustrationsquelle und zum Motivationskiller. Der Schüler muß beide Seiten kennenlernen und er muß wissen, wie er das Potential des Systems nutzen und ständige Fehlermeldungen meiden kann, besser noch, wie er sie interpretieren und beheben kann. Auch hier ist neben logischem Denken Methodenbewußtsein gefragt: Wie verfolgt man ‘einen Fehler’ in einem komplexen Worksheet zurück bis zu seiner ersten Ursache. Ist es ein Denkfehler, ein Syntaxfehler oder ein simpler Tippfehler? In diesem Zusammenhang muß der Schüler auch über gewisse einfache ‘Überlebensstrategien’ verfügen, die ihm z.B. bei einer Klausur (einer an sich nicht CAS-typischen Situation) weiterhelfen - auch unter Zeitdruck, mehr dazu siehe unten.

Für den Gebrauch im laufenden Unterricht und zu Hause ist hervorzuheben, daß bei der interaktiven Arbeit mit einem CAS eigentlich nur Mischformen der Arbeitsweisen auftreten, weil alles ständig verfügbar ist. Übungen und Übungsphasen sind nicht mehr prinzipiell isoliert von der Begriffsbildung sondern in den Gesamtablauf integriert (freilich müssen sie manchmal isoliert werden, um spezielle Fertigkeiten zu trainieren). Aber - wie nun hinlänglich bekannt - treten Rechenfertigkeiten in den Hintergrund. An ihre Stelle tritt die Fertigkeit im Umgang mit dem System: ‘Wie bringe ich das System dazu, daß es für mich rechnet, und wie mache ich das möglichst geschickt?’ Es ist bei weitem nicht so, daß man nun einen ‘Rechenknecht’ für sich einspannt und dadurch überproportional viel Zeit für die ‘eigentliche Mathematik’ und das Problemlösen erhält. Es handelt sich eher um eine Verlagerung der notwendigen Fertigkeiten, aber um eine sinnvolle. Ein CAS muß per se so strukturiert sein wie die Mathematik, die es zu betreiben erlaubt (die erwähnte Vorstufe zur künstlichen Intelligenz). Wird die Mathematik komplex und anspruchsvoll, so wird es auch die Bedienung des CAS. Weit verzweigte echte Fallunterscheidungen lassen sich nun einmal nicht durch eine Maschine simplifizieren, sondern müssen durch die Maschine nachgebildet werden. Aber hierin liegt gerade der Lerneffekt, der den Mathematikunterricht mit einem CAS so wertvoll macht. Man muß in erster Linie wissen, wie man es macht und was sinnvoll gemacht werden muß, ohne es tatsächlich selbst auszuführen. Dazu kommt, daß man ja beim Erlernen der Befehle, die der logischen Struktur nachgebildet sind, die Struktur selbst lernt - wie bei jeder Sprache.

Und wie bei jeder Sprache muß man auch die Möglichkeit zur Korrektur und Kontrolle haben. Hier helfen zunächst die unter Physikern so beliebten Plausibilitätsbetrachtungen und Abschätzungen als wichtigste Methoden zum Fortschritt im Erkenntnisprozeß. Das mächtigste CAS wird wertlos, wenn man ihm bedingungslos vertraut. Also dürfen beim Unterricht mit CAS die konventionellen Fertigkeiten nicht völlig vernachlässigt werden. Aber auch sie können wieder im Wechselspiel mit dem CAS erarbeitet und gefestigt werden, denn das CAS (die zweite Autorität) läßt sich sehr gut auch als simpler Rechentrainer einsetzen, mit dem man die eigenen Rechnungen überprüfen kann. Besonders wichtig dabei ist, daß nun der Schüler die Lernkontrolle jederzeit selbst durchführen kann. Die Frage nach dem Lösungsheft gehört der Vergangenheit an, wir besprechen reine Rechenaufgaben nur noch in Ausnahmefällen und dann eher so, daß der Schüler eine Anleitung bekommt, wie er das CAS einsetzen kann, um seine Lösung zu kontrollieren. Die Lösung wird nicht vom Lehrer sondern vom CAS bekannt gegeben - Hilfe zur Selbsthilfe, das ist die Methode.

 

 

 

2.3 Leistungsmessung

Natürlich kann nur die Leistung gemessen werden, zu der der Schüler durch den Unterricht befähigt wurde. Wie nun mehrfach dargelegt, entspricht aber ein konsequenter Unterricht mit einem CAS weder inhaltlich noch methodisch noch vom Arbeitsablauf her den im Lehrplan festgeschriebenen Zielen. Es ist vielmehr erklärtes Ziel des Projekts, die für einen neuen Lehrplan notwendige Vorarbeit zu leisten. Nun geht aber der bestehende Lehrplan von der traditionellen Leistungsmessung aus (oder hat sie zum Ziel), die in den Abituraufgaben praktiziert wird: Eingeübte Fertigkeiten werden in einem oft eng abgesteckten Raster in beschränkter Zeit in Klausur reproduziert. Gleichzeitig beklagt man sich über die mangelnde Problemlösefähigkeit und Transferfähigkeit unserer Schüler, beschränkt sich aber trotzdem mit Transferaufgaben auf d)-Teile, damit auch der schwache Schüler noch im a)- und b)-Teil Punkte holen kann. Wir kennen alle diese Diskussion, und viele von uns vermuten, daß hier eine Alibi-Diskussion geführt wird: Es ist einfach für den Korrektor bequem, eine Klausur einem Standardraster entlang korrigieren zu können, und außerdem erzeugt ein zentrales Abitur auch noch den Eindruck einer erhöhten Objektivität. Die Objektivität mag sogar gegeben sein, aber mit ihr wird gerade das erstickt, was man nun zu Recht fordert: Weg von der Fertigkeit und dem Drill - hin zum Denken. Ich habe diesen Widerspruch von Anspruch und Praxis in einem der Kurzberichte so formuliert: ‘Die Maple-Klausur ist ein Widerspruch in sich’. Es handelt sich dabei um das zentrale Problem des Projekts, weil es das Problem der Innovation des Mathematikunterrichts schlechthin ist: Man fordert Schlüsselqualifikationen, aber wenn es zum Schwur (Abitur) kommt, werden nur Sekundärtugenden abgecheckt.

Wir können unsere Projektschüler nicht eine Klausur im alten Stil schreiben lassen - sonst hätten wir sie im alten Stil unterrichten müssen und hätten uns damit das Projekt sparen können. Wir können aber auch nicht von heute auf morgen die Methoden des Unterrichts und der Beurteilung völlig umkrempeln und auf Klausuren ganz verzichten, bzw. wie im Seminarkurs Klausuren durch ‘Seminararbeiten’ ersetzen. Aber es bietet sich ein Kompromiß an:

Die bewährten und auch im CAS-Zeitalter notwendigen Fertigkeiten werden wie bisher schriftlich geprüft.

Die neu zu erwerbenden Fertigkeiten werden (auch in Klausur) am Computer geprüft.

Die eigentliche Fähigkeit ‘Mathematik mit CAS’ wird in Form von Referaten nachgewiesen.

 

Am Isolde-Kurz-Gymnasium wurden diese Kriterien zur Leistungsmessung herangezogen und zwar mit den Gewichten 1:1:2 (Punkte 1 bis 3). Leider war es im Rahmen des laufenden Projekts nicht möglich, diese Art der Leistungsmessung auch am Abitur beizubehalten.

 

Ein weiteres Problem ist die Frage der Vergleichbarkeit. Inwiefern haben nun ‘Laptopschüler’ eine andere und vielleicht sogar ‘bessere Mathematik’ gelernt? Ein direkter Vergleich läßt sich nur über schriftliche Arbeiten herstellen, etwa durch eine Arbeit, die parallel in einem konventionellen Kurs geschrieben wird. Schriftliche Arbeiten spiegeln aber nur den geringsten Teil des CAS-Unterrichts wider und umgekehrt kann der Parallelkurs ein CAS nicht einmal bedienen, geschweige denn Mathematik damit betreiben. Trotzdem sollte man diesen Test einmal wagen, z.B. in Form einer schriftlichen Arbeit, in der nicht nur Fertigkeiten abgefragt werden, sondern auch Verständnisfragen vorkommen (‘Erläutere den Begriff des Differentialquotienten, des bestimmten Integrals, der Konvergenz...’ wie beim mündlichen Abitur). Solche Fragen können in aller Regel von Prüflingen am mündlichen Abitur nicht beantwortet werden, obwohl es doch um elementare Dinge der Analysis geht. Bei unseren Projektschülern beobachte ich hier mehr Verständnis für Grundsätzliches. Das muß aber nicht CAS-spezifisch sein, wir haben uns eben mehr Zeit dafür genommen, weil wir keine Ableitungsregeln und Kurvendiskussionen pauken mußten.

Schließlich kommt noch eine für bisherige Prüfungen (Klausuren) völlig untypische Situation hinzu: Der ‘Laptopschüler’ hat bei einer ‘Klausur’ mit dem Rechner alle Informationen zur Verfügung, die er jemals auf seiner Festplatte abgespeichert hat. In der Zeitung liest sich das dann so: ‘Der Spickzettel ist erlaubt!’ Diese Formulierung ist typisch. Prüfung heißt bis heute noch immer, daß Fakten und Fertigkeiten vor der Prüfung im Kopf abgespeichert werden und während der Prüfung wiedergegeben werden. Die Fähigkeit, ein Problem mit allen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln zu lösen wird in die Nähe des Täuschungsversuchs gerückt, anstatt sie zu fördern. Dabei sind es gerade diese Fähigkeiten, die der Schüler im späteren Leben brauchen wird: Das Problem einordnen können, wissen welche Hilfsmittel sich zur Lösung eignen, diese Hilfsmittel sachgerecht einsetzen können, das Problem damit lösen und in verständlicher Form dokumentieren. Ich kann die Journalisten beruhigen: Ein Schüler, der diese Fähigkeiten nicht besitzt, fängt mit keiner noch so großen Festplatte etwas an. Mit einem Spickzettel, von dem er die in herkömmlichen Arbeiten oft gefragten Fakten abschreibt schon.

2.3.1 Klassenarbeiten

An dieser Stelle sollen nur die wesentlichen Aspekte hervorgehoben werden. Die Standard-CAS-Klassenarbeit ist zweistündig und zweiteilig. In der ersten Stunde werden Aufgaben schriftlich und ohne die Verwendung des CAS bearbeitet. In der zweiten Stunde wird das CAS eingesetzt. Es gibt aber auch Variationsmöglichkeiten, wie zum Beispiel eine dreistündige oder gar vierstündige CAS-Arbeit. Außerdem wäre auch noch eine CAS-Klausur im Computerraum möglich (zwei mal 10 Schüler), bei der keine selbst gespeicherten Worksheets oder sonstigen Informationen zur Verfügung stehen - quasi als ‘Sprachtest’ wie in einer Informatikarbeit.

Der schriftliche Teil der Arbeiten ist meist so gehalten, daß ein Vergleich mit konventionellen Klausuren möglich ist (aus oben genannten Gründen), also ‘Kurvendiskussion’, geometrische Zusatzfragen, aber auch Verständnisfragen. Diese Teil-Arbeiten haben gezeigt, daß wir es nach wie vor mit ganz ‘normalen Schülern’ zu tun haben. In Punkto Fertigkeiten werden ähnliche Fehler gemacht wie von Schülern, die nicht mit CAS unterrichtet wurden (z.B. ‘Quotientenregel’). Diese Fehler treten aber auch nicht häufiger auf. Insgesamt entsteht aber der Eindruck, daß die Schüler souveräner und mit mehr Überblick an Aufgabenstellungen herangehen, und ich vermute, daß das schon auf den Unterricht mit CAS zurückzuführen ist. Um beim Thema ‘Kurvendiskussion’ (als Stellvertreter für die Standardaufgabe) zu bleiben: Auch die am Computer ‘durch Drücken der Return-Taste’ durchgeführte Diskussion (bei der das System und nicht der Schüler selbst rechnet) schult den Blick für das Wesentliche. Mit dem Ergebnis, daß nun Schüler ihre Fehler während der (schriftlichen) Arbeit selbst erkennen und etwa schreiben: ‘Ich muß mich bei der Ableitung verrechnet haben, denn die Kurve kann aus dem und dem Grund höchstens zwei Extrema besitzen’.

Beim CAS-Teil der Arbeit verwenden wir in Transferaufgaben auch explizit Worksheets, die alle Schüler schon auf ihrem Rechner haben (z.B. aus unserem elektronischen Buch). Etwa: ‘Verwende geeignete Befehle aus dem Worksheet xyz.mws und ändere sie so ab, daß damit gezeigt werden kann...’. Grundsätzlich gilt für CAS-Arbeiten, daß alles verwendet werden kann, was auf dem Rechner steht (s.o.), aber daß auch nach allem gefragt werden kann, was verbindlich auf allen Rechnern stehen muß - und zwar ohne Ankündigung. Letzteres natürlich nur in ‘d)-Teilen’ und behutsam. Die Schüler wissen, daß wir gemeinsam untersuchen wollen, inwieweit der CAS-Unterricht den Transfer fördert, und es sind durchaus positive Ansätze zu sehen. Aber man darf - ein weiteres Mal - keine Wunder erwarten, gerade in der Klausursituation (also unter Zeitdruck) kann die zündende Idee nicht erzwungen werden, und es kam schon mehr als einmal vor, daß einem Schüler fünf Minuten, nachdem er die Diskette abgegeben hatte, das berühmte Licht aufging. Hier ist es wichtig, daß er seine Arbeit gut dokumentiert hat, damit man bei der Korrektur (interaktiv) im Worksheet nachvollziehen kann, wie nahe er der Lösung war, und somit die bekannte K.O.-Aufgabe vermieden wird.

Es gibt bei CAS-Aufgaben noch einen weiteren Grund für ein K.O.: Das System selbst. Was in herkömmlichen Arbeiten der kleine Rechenfehler mit fatalen Folgen war, ist nun der simple Tippfehler, der eine komplett andere Aufgabe erzeugen kann, auch (und oft gerade) wenn der Schüler mitdenkt. Hier müssen die oben erwähnten ‘Überlebensstrategien’ greifen und der Schüler muß gelernt haben, so mitzudenken, daß er mit dem mächtigen System nicht Ergebnisse erzeugt, die mächtig daneben liegen. Leider ist das nicht immer der Fall und es werden auch Automatismen an unpassender Stelle ungeprüft (und offensichtlich unverstanden) übernommen. Das CAS ist also kein Garant für gelungenen Transfer, aber das hat wohl auch niemand erwartet.

2.3.2 Referate

Wir kommen zum schwierigsten Teil der Leistungsmessung. Es gibt noch kaum Erfahrungen in der Beurteilung von Mathematik-Referaten, weil es noch kaum Mathematik-Referate gibt. Hier kann ich nur auf meine Praxis der CAS-Kurse der letzten Jahre, aber auch auf etwas Philosophieunterricht zurückgreifen, also eher auf Standard-Kriterien aus dem Deutschunterricht, die aber in diesem Fall noch durch die speziellen Anforderungen des Fachs zu ergänzen sind.

Bei der Beurteilung eines Referats muß man in unserem Projekt immer im Hinterkopf behalten, daß prinzipiell alle Mittel zur Verfügung stehen, vom Schulbuch und Heftaufschrieb bis zum Worksheet, das ein Australier im WWW zur Verfügung stellt. Das kann man so interpretieren, daß dadurch der Beurteilungsmaßstab strenger gewählt werden muß, man kann es aber auch so auslegen, daß es - zumindest in der Anfangsphase - dem Schüler mehr abverlangt, als ein Referat mit eng gestecktem Rahmen. Dazu kommt die Vielfalt der Tätigkeiten, die mit einem CAS möglich werden. Um die Sache einigermaßen in den Griff zu bekommen, haben wir uns auf folgende Bewertungskriterien für den mathematischen Erörterungsaufsatz geeinigt:

Form und Sprache (Deutsch)

Verwendung des CAS (Maple-Sprache, Programmierung)

Mathematik (Schwierigkeitsgrad, Korrektheit)

Originalität (als Bonus)

 

Eine weitere Aufschlüsselung (insbesondere von Punkt 2 und 3) und die Gewichtung ist nicht zwingend und allgemeingültig festgelegt, weil die Themen sehr unterschiedlich gestellt und bearbeitet werden können, in der Regel haben aber die Punkte 2 und 3 das stärkste Gewicht. So kann es durchaus vorkommen daß ein Referat, in dem ein einfacher mathematischer Sachverhalt verständlich dargelegt wird, als ebenso gut bewertet wird, wie ein Referat, in dem ein ‘Programmierer’ eine Breitseite von Maple-Befehlen abfeuert, mit der er zwar seine speziellen Maple-Kenntnisse dokumentiert, aber sonst nichts.

Die Bewertung wird grundsätzlich mit den Autoren individuell durchgesprochen, auch vergleichend mit anderen Arbeiten (die ja jeder kennt). Diese Gespräche sind selbst auch Teil der Notenfindung (als Mini-Kolloquium). Wird ein Thema von einer Gruppe bearbeitet (maximal drei Autoren sind zugelassen, je Umfang des Themas), so müssen entweder verschiedene Aspekte von den einzelnen Autoren herausgearbeitet werden, oder die Gruppe teilt sich das Thema so auf, daß eine individuelle Benotung möglich ist.

Zu Beginn von Klasse 11 war dieses Verfahren mit 27 Schülern recht mühsam. Aber im Laufe eines Schuljahres lernt man sich kennen und kann gezielt vorgehen, auch was die zeitliche Planung betrifft: Auch motivierte Projekt-Schüler neigen zum Aufschieben ihrer Arbeit (und haben ‘nebenher’ noch den normalen geschlossenen Unterricht). Deshalb wird nun im Leistungskurs mehr auf die Einhaltung von Abgabeterminen geachtet und die etwas ‘langsameren Schüler’ bekommen ihr Thema als erste (typischer Bearbeitungszeitraum ist sechs Wochen). So ist einigermaßen gewährleistet, daß erstens alle ihr Referat noch vor den Zeugniskonventen abgeben, und zweitens nicht durch ständiges Nachbessern die Note unverhältnismäßig hochgeschraubt wird.

Einer oft geäußerten Befürchtung läßt sich leicht begegnen: Kann man überhaupt sicherstellen, daß das abgegebene Referat oder Worksheet auch wirklich von dem Schüler stammt und nicht irgendwo aus dem Internet? Erstens werden die Referate ja vom Lehrer betreut und bei diesen Beratungsgesprächen merkt man sehr schnell, was vom Schüler selbst stammt und wo er evtl. ‘eine Quellenangabe vergessen hat’. (Es ist ja, wie in jeder wissenschaftlichen Arbeit nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht, auf Ergebnissen anderer aufzubauen). Zweitens stellt der Schüler seine Arbeit vor und muß Fragen des Lehrers und der Mitschüler beantworten können. Und schließlich gibt es noch einen ganz einfaches Verfahren zu testen, wie gut sich der Schüler in seinem eigenen Worksheet auskennt: Man baut Fehler in das Worksheet ein, die der Schüler finden und beheben muß. Am Anfang waren diese Tests gefürchtet, mittlerweile sind sie sogar eine willkommene Herausforderung, mit der man sehr differenziert ausloten kann, wo die Stärken und Schwächen des Probanden liegen.

Insgesamt gesehen sind wir hier aber noch im Experimentierstadium und das wird wohl auch (wie in den Seminarkursen) noch eine Weile so bleiben, doch die Arbeit lohnt sich: Hier liegt eine wesentliche Aufgabe für die Didaktik der neuen Mathematik.

 

2.3.3 Korrekturen

In diesem Abschnitt möchte ich mehr auf die Praxis oder Technik der Korrekturen eingehen, die ein computergestützter Unterricht mit sich bringt.

Alle CAS-Produkte der Schüler (Klausuren, Referate, Hausaufgaben) werden nicht in gedruckter Form weiterverarbeitet, sondern als Dateien. Das hat zwei Gründe (nämlich die beiden Schwerpunkte des Projekts, insbesondere an unserer Schule):

Die Arbeit mit einem CAS basiert auf Interaktion (am Computer).

Die Arbeit im Netz basiert auf Dateitransfer (von Computer zu Computer).

 

Würden die Schüler ihre CAS-Arbeit in gedruckter Form abgeben, so könnte nur das Endergebnis bewertet werden und der Korrektor müßte z.B. bei Syntaxfehlern einen entsprechenden Kommentar handschriftlich eintragen, den dann der Schüler wieder in seinen Computer eintippt. Das ginge noch. Aber ohne die Datei hat der Korrektor nicht die Möglichkeit, das Worksheet voll zu testen, sei es zur Fehlersuche oder zur Überprüfung der tatsächlichen Funktionsfähigkeit oder Optimierung. Auch wenn man sich gut mit Maple auskennt, ist es zuweilen schwierig, die möglichen Reaktionen von Maple im Kopf durchzuspielen, man müßte also als Korrektor das Worksheet abtippen - und das wollte ich mir nicht antun. Die Korrektur läuft also in unserem Leistungskurs so, daß ich die Arbeiten (Klausur oder Referat) der Schüler auf meinen Home-PC hole (per Diskette oder DFÜ) und dort mit ihnen weiterarbeite, denn außerdem soll ja untersucht werden, ob und wie das machbar ist.

Dazu werden die Dateien zunächst in geeignete Verzeichnisse gespeichert und in einer Excelltabelle werden die notwendigen Einträge gemacht (Namen, maximale Punktezahl,...). Dann wird Worksheet für Worksheet korrigiert, d.h., in das Worksheet (genauer eine Kopie davon) werden die Korrekturvermerke und Punkte eingetragen, und parallel dazu die Punktetabelle aktualisiert. Weil es aber am Computer wesentlich zeitaufwendiger ist, zwei Arbeiten zu vergleichen, wenn man sich etwa nicht sicher ist, ob man nun Schüler A und Schüler B gerecht beurteilt hat, wird oft ein zweiter Durchgang notwendig, denn man kann nicht einfach zwei oder drei Hefte aufschlagen und nebeneinander legen. (Übrigens fehlt auch den Schülern nach der Rückgabe der Arbeit dieser ‘konventionelle direkte Vergleich’: ‘Mein Nachbar hat hier 5 Punkte und ich nur 4’.)

Obwohl das Korrigieren in dieser Form also deutlich zeitaufwendiger ist (etwa die doppelte Zeit), macht es auch Spaß, weil man die Möglichkeit zur Interaktion hat. Außerdem kann der Schüler ebenfalls mit dem korrigierten Worksheet weiterarbeiten und so seine Fehler nachvollziehen, verbessern und daraus lernen. Und natürlich steht die korrigierte Klassenarbeit bei der nächsten Arbeit zur Verfügung: Ich mußte noch nie jemanden dazu auffordern, eine Verbesserung zu machen.

Zur Praxis der Korrektur und Beratung via Computer muß aber hier vor allem eines hervorgehoben werden: Unser CAS-Server. Dieser professionelle Datenbank-Server erleichtert hier die Arbeit nicht nur ganz erheblich (im Vergleich zur Arbeit in Verzeichnissen), er macht überhaupt erst echtes Telelearning möglich. Die Schüler geben nun dort ihre Referate ab, also an einer zentralen Stelle, die von allen (die die Berechtigung dazu haben) einsehbar ist. So kann eine Autorengruppe zusammenarbeiten und die Beratung durch den Lehrer von zu Hause aus erfolgen, und das ist wichtig, denn oft ist in der Schule nicht genügend Zeit, ein Worksheet mit einem Schüler durchzusprechen.

 

 

3 Abitur

Pünktlich zum Abitur kam per E-Mail die Anfrage eines Journalisten vom Focus: „Sind die Notendurchschnitte der Abi-Prüfungen schon für die Öffentlichkeit zugänglich? Wie haben ihre Abiturienten im Vergleich zu den "normalen" Mathe-LKlern abgeschnitten?"

Vorweg: Die Ergebnisse in unserem Leistungskurs entsprechen dem langjährigen Durchschnitt beim Mathematik-Abitur in Baden-Württemberg. Man sollte aber diese unsinnige Frage nicht einfach übergehen, denn sie ist symptomatisch für eine - nicht nur unter Journalisten - verbreitete Auffassung unseres Bildungssystems: Wie in einem industriellen Fertigungsprozeß durchläuft das Schülermaterial eine Maschinerie vom Input durch verschiedene Stadien bis zum Output. Die Qualität der gefertigten Ware und damit die Effizienz der Maschinerie wird an Notendurchschnitten gemessen. Gerade in jüngster Zeit ist es wieder stark in Mode gekommen, den Erfolg oder Mißerfolg im Bildungswesen mit endlosen Statistiken zu belegen (TIMSS). Daß in den meisten Fällen sich weder die Voraussetzungen noch die Zielsetzungen vergleichen lassen, spielt dabei kaum eine Rolle. Schon mit einem simplen Taschenrechner lassen sich die Zahlen auf 8 Stellen genau berechnen, und wenn man noch Datenbanken und Programme zu Hilfe nimmt, so wird wohl keiner mehr an der Aussagekraft der Zahlen und bunten Diagramme zweifeln. In England ist man sogar dazu übergegangen, das Erstellen von Abituraufgaben gegen Bezahlung in Auftrag zu geben und wundert sich nun, weshalb die Notendurchschnitte ständig steigen (ZEIT Nr. 36, Das Rätsel des Erfolgs), ohne zu bemerken, daß sich dieser ‘Erfolg’ von selbst produziert (wie auch in der ehemaligen DDR): Die Schulen werden nach dem Notendurchschnitt bewertet, also wird manche ‘nicht gerade den schwierigsten Test für ihre Zöglinge kaufen’ und das wiederum wirkt sich auf das Angebot aus.

Es war nicht Ziel unseres Projekts, an einem solchen Wettbewerb teilzunehmen und zu gewinnen. Wir wollten nicht beweisen, daß man mit dem Computer wie mit einem Nürnberger Trichter die Mathematik in die Schülerköpfe abfüllen kann, und dadurch der Notendurchschnitt mindestens um 2 Punkte angehoben wird. Wir hatten ein ganz einfaches Ziel, nämlich die neuen Technologien im Mathematikunterricht konsequent einzusetzen. Es ging zunächst nur um die Machbarkeit. Freilich hatten wir bald herausgefunden (und das war auch abzusehen), daß die Möglichkeiten, die durch die neuen Technologien eröffnet werden, in entscheidenden Bereichen dem widersprechen, was unser Bildungswesen und vor allem unser Prüfungswesen zum gegenwärtigen Zeitpunkt zuläßt. So mußte die ursprüngliche Frage „Wie läßt sich Mathematik mit dem Computer unterrichten?" bald umformuliert werden: „Wie läßt sich unter Berücksichtigung der geltenden Prüfungsbestimmungen ein Mathematikabitur mit dem Computer realisieren?"

 

3.1 Prüfungskultur

Man hat auch außerhalb unseres Projekts erkannt, daß mehr für die Unterrichts- und Aufgabenkultur getan werden muß, wenn man mit der Entwicklung außerhalb der Schule Schritt halten will (vgl. Schulintern 2 ’99). Eine zentrale Rolle spielt dabei die offene Aufgabenstellung, die auch in unserem Projekt gepflegt wurde (und im Fortsetzungsprojekt weiter gepflegt wird). Aufgaben wie etwa die Untersuchung einer Funktion, die nach einem festen Schema abgearbeitet werden, können nicht mehr sinnvoll gestellt werden, wenn dem Schüler ein CAS zur Verfügung steht, das die Lösung auf Knopfdruck liefert. Deshalb haben wir schon in den zweieinhalb Jahren vor der Abiturprüfung die Leistungsmessung durch Referate ergänzt, in denen ein offen gestelltes Thema über einen längeren Zeitraum bearbeitet werden konnte und dann in einem ‘Kolloquium’ vorgestellt wurde (wie im Seminarkurs). Die so erworbenen Fähigkeiten (Informationsbeschaffung, Flexibilität, vorwissenschaftliches Arbeiten, Präsentation,...) können in einer ‘schriftlichen’ Abiturprüfung (4-stündige Klausur) nur sehr bedingt eingesetzt oder gar bewertet werden. Das ist unser Dilemma (nicht nur im Pilotprojekt): Unser neuer Mathematikunterricht paßt nicht zum alten Abitur - es fehlt uns eine neue Prüfungskultur. Erst wenn wir unser Abitur ähnlich offen gestalten wie unseren Unterricht, können wir mit gutem Gewissen von einer Integration der neuen Technologien in den Unterricht sprechen.

Weil mit den Neuen Technologien neben den neuen Methoden aber auch eine Vielzahl neuer Inhalte für die Schulmathematik in greifbare Nähe rückt, werden zentral gestellte Aufgaben problematisch und man entschloß sich deshalb immerhin zu einer Mischform des Abiturs:

Von den Kurslehrern der vier Projektschulen wurden jeweils drei Aufgabenvorschläge eingereicht und allen beteiligten Lehrern bekanntgegeben. (Die Vorschläge des LK-Reutlingen sind inzwischen im Internet zu finden:

http://www.ikg.rt.bw.schule.de/maple.html )

Für jeden Kurs wurde ein Vorschlag des jeweiligen Lehrers unverändert übernommen und als ‘lokale Aufgabe’ gestellt.

Aus den restlichen 8 Aufgaben wurde eine ‘zentrale Aufgabe’ zusammengestellt, die an jeder Schule bearbeitet werden mußte (wobei die Lehrer vorher signalisieren konnten, welche Inhalte sie nicht behandelt hatten).

 

Dieses Verfahren trug zwar der Problematik eines zentralen Abiturs als Abschluß eines offenen Projekts Rechnung, hatte aber den gravierenden Nachteil, daß mit der Leistungsmessung in erster Linie festgestellt wurde, wie nahe der jeweilige Lehrer seine Schüler bei der Prüfungsvorbereitung (oder schon davor) an die ihm bekannten Aufgabenteile herangeführt hatte. Dieser systematische Meßfehler kann nur vermieden werden, wenn die ‘zentrale Aufgabe’ von einem unabhängigen Gremium gestellt wird.

 

Zu einer einigermaßen aussagekräftigen Bewertung der Ergebnisse im Projekt gehört auch eine Erwähnung der von Schule zu Schule verschiedenen Versuchsbedingungen. Eine der wichtigsten Vorgaben des Projekts war es, den Unterricht in einer ‘normalen Klasse’ durchzuführen, also nicht etwa mit einer handverlesenen CAS-Elite ein 15-Punkte-Abitur zu produzieren, denn das wäre nicht sehr repräsentativ. Wir hatten uns am Isolde-Kurz-Gymnasium an diese Vorgabe gehalten. Von den damaligen fünf 10. Klassen unserer Schule hatten sich drei komplett für das Projekt gemeldet, eine von diesen ‘gewachsenen Klassen’ wurde durch Losentscheid ausgewählt. In Klasse 12 wählten dann 21 von 27 Schülerinnen und Schülern den Leistungskurs über den hier berichtet wird (und 6 Schülerinnen den Grundkurs). Angesichts dieses breiten Spektrums verlief die Abiturprüfung auch so, wie sie in einem ‘normalen LK’ meistens verläuft:

Die Spitze (4 Schülerinnen und Schüler) behielt ihre 13-15 Punkte. Die guten Schülerinnen und Schüler (10-12 Punkte) mußte sich in der Regel gegenüber der Anmeldung mit 1-2 Punkten weniger begnügen (es gab aber auch leichte Verbesserungen). Die Mitte (6-9 Punkte) schnitt um ca. 2 Punkte schlechter ab und es gab auch wenige ‘Abstürze’ auf 1-3 Punkte: Das Risiko, daß sich ein für den Außenstehenden leicht erscheinender Aufgabenteil in der Prüfungssituation als K.O.-Aufgabe entpuppt, scheint beim Einsatz des Computers noch größer zu sein als beim herkömmlichen schriftlichen Abitur. Das liegt daran, daß sich auch gute Schüler in ihrem Worksheet verirren können oder durch unvorhergesehene Reaktionen des CAS in Sackgassen geraten, aus denen sie unter Zeitdruck nicht zurückfinden, bzw. lange Zeit überhaupt nicht merken, daß sie auf dem falschen Weg sind, weil das CAS ja immer brav weiterrechnet. Hier wird vielleicht am ehesten die Problematik einer zeitlich begrenzten Prüfung (Klausur) mit einem Computer deutlich. Kleine Fehler können große Auswirkungen haben, besonders im Prüfungsstress. Dann sitzt der Erstkorrektor über einem seitenlangen Ausdruck, der von einem Schüler stammt, von dem er mit Sicherheit weiß, daß er im Normalfall mit solchen kleinen Fehlern gut umgehen kann, und muß die endlosen Versuche des Schülers, mit dem System fertig zu werden, allesamt verwerfen. Und das gilt natürlich verstärkt für den Zweit- und Drittkorrektor.

 

Das mündliche Abitur war für alle Beteiligten (bis auf eine Ausnahme) sehr erfreulich. Die Schülerinnen und Schüler konnten innerhalb der üblichen Bearbeitungszeit von 20 Minuten zu offen gestellten Fragen ein kleines Worksheet vorbereiten, das sie in der 20-minütigen Prüfung vorstellten. Dabei war es wie in der ‘schriftlichen’ Prüfung erlaubt, alle Materialien, die auf dem Laptop gespeichert waren, zu verwenden. Es wurden auch Zusatzfragen gestellt, die man dann an der Tafel erörterte. Besonders diese mündliche Prüfung hat gezeigt, daß eine offene Form des Abiturs (Kolloquium) mit Computer sehr gut machbar ist. Auch wenn - oder gerade weil - die Schüler 1000 Spickzettel auf ihrem Laptop gespeichert haben, läßt sich sehr wohl feststellen, ob sie damit umgehen können, denn sie müssen ja jeweils die zu der (offenen) Frage passende Information finden, richtig einsetzen und bei Zusatzfragen erläutern können. Und je nachdem wie weit der Prüfling mithält, können auch Fragen gestellt werden, die über das ‘abgespeicherte Wissen’ hinausgehen. Es ist also eine wesentlich stärkere Differenzierung als bei herkömmlichen mündlichen Prüfungen möglich, bei denen oft minutenlang nur einfache Rechnungen abgespult werden. Dazu kommt noch der Umgang mit dem CAS, der bei einer Präsentation vielleicht eine noch größere Rolle spielt als bei einer ‘schriftlichen’ Prüfung. Trotz dieser Vielfalt von Bewertungskriterien waren sich Prüfer, Vorsitzender und Beisitzender bei der Notenfindung immer rasch einig, woraus sich wiederum ablesen läßt, daß das ‘offene Abitur’ durchaus realisiert werden kann - nicht nur weil fast alle Prüflinge ihre Anmeldenote wieder erreichten.

 

3.2 Bilanz

Zu einer Bilanz gehören auch solch simple Fakten wie der Arbeitsaufwand für die Korrektur von 21 Arbeiten:

Auf Disketten abgegebene Dateien auf dem Lehrer-PC speichern, packen und Sicherungskopien anlegen: 2 Stunden.

379 Seiten ausdrucken: mehr als 6 Stunden.

Signatur der ausgedruckten Arbeiten durch die Schüler (‘Dokumentenechtheit’): 1 Stunde.

Blätter ordnen (eine schriftliche Bearbeitung war wie im herkömmlichen Abitur erlaubt), erste Durchsicht: 3 Stunden.

Zweite Durchsicht und Festlegung der Punkteverteilung (fein): 4 Stunden.

Eigentliche Korrektur (schriftlich und parallel dazu am Computer): mehr als 30 Stunden.

Abschließende Durchsicht, Ausfüllen der Formulare: 5 Stunden.

Der Zweitkorrektor mußte sich ohne die Routine des praktizierenden Projekt-Lehrers und ohne jede Hintergrundinformation durch den gleichen Stapel kämpfen.

 

Insgesamt also mehr als 50 Stunden oder eine volle Arbeitswoche alleine für die Erstkorrektur. Ich hatte bis zum Abitur die Klausuren immer auf dem PC korrigiert (Abgabe und Rückgabe im Schulnetz), weil das den Arbeitsaufwand wesentlich reduziert (bei entsprechender Organisation), und die Schüler so mit den korrigierten Worksheets direkt weiter arbeiten konnten. Doch für das Abitur mußte eine ‘dokumentenechte’ Lösung gefunden werden. Es hätte sicher andere Möglichkeiten gegeben, ohne Papier auszukommen und trotzdem zu garantieren, daß es sich bei der dem Zweit- und Drittkorrektor weitergegebenen Datei um das Original handelt, und wir werden das bei der Fortsetzung des Projekts auch besser regeln. Aber abgesehen davon: Diese ‘technische Schwierigkeit’ zeigt ein weiteres Mal, daß noch einige Hürden zu nehmen sind, wenn der Computer als Medium nicht nur im Unterricht sondern auch in Prüfungen eingesetzt wird.

 

Wenn man alles in allem nimmt (Umfang und Qualität der abgegebenen Arbeiten), wundert man sich nachträglich doch, daß die Abiturprüfung mit Computer überhaupt geklappt hat. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie ich am Ende der Korrektur vor diesem Stapel Papier saß und mir dachte: "Da gab es doch einige Klippen zu umschiffen!" Und vor allem: "Der über weite Strecken souveräne Umgang der Schüler mit Maple ist beeindruckend!"

Dieser Meinung waren auch die Schüler: Bis auf einen der 21 Schülerinnen und Schüler würden sich alle Teilnehmer des LKs wieder so entscheiden (also ‘Mathematik mit Maple’ in Klasse 11 wählen und anschließend den Leistungskurs), wie eine Befragung nach dem Abitur ergab. Weitere wichtige Ergebnisse dieser Befragung sind:

Die Mathematik mit Maple hat Spaß gemacht.

Das selbständige Arbeiten war am Anfang ungewohnt und auf die Dauer belastender als der herkömmliche Unterricht, in dem man dem Lehrer nur zuhören muß, aber es hat Spaß gemacht.

Das Experimentieren mit dem System hat die Mathematik belebt.

Durch die vielen Möglichkeiten der Visualisierung und das symbolische Rechnen ohne großen Arbeitsaufwand (und Rechenfehler) mit einem CAS fiel die Begriffsbildung leichter.

Von Zeit zu Zeit war eine ‘konventionelle Mathematikstunde’ sehr willkommen.

 

Für die zweite Runde des Projekts ziehe ich deshalb folgende Bilanz:

Der Unterricht aus der ersten Runde kann im Großen und Ganzen für die zweite Runde übernommen werden. Wir müssen zwar organisatorisch einiges ändern, weil in der zweiten Runde nicht mehr mit Laptops sondern an den Rechnern des Schulnetzes unterrichtet wird, aber der Kern der Erfahrungen wird sich auch weiterhin bewähren: Mathematik mit CAS motiviert. Unsere Aufgabe besteht nun darin, diese Motivation und ihre Früchte bis in die nächste Abiturprüfung mit CAS zu tragen. Damit das gelingt, muß unter Umständen auch in der Verwaltung und Politik über ein neues Prüfungsverfahren beim Abitur nachgedacht werden.

 

 

 

4 Zusammenfassung und Ausblick

Das wohl wichtigste Ergebnis kann man den Schülerbefragungen entnehmen: Bis auf einen würden alle Schüler wieder ‘Mathematik mit CAS’ wählen. Ebenso ist die Kurswahl (LK: 21 GK: 6) ein deutliches Indiz dafür, daß der konsequente Einsatz der neuen Technologien nicht nur machbar ist, sondern von den Schülern voll akzeptiert wird.

 

Gesamtsituation:

Bei einer Bewertung - auch im Hinblick auf die geforderte Übertragbarkeit - sollte man nicht vergessen, daß in einem solchen Projekt die Motivation von Anfang an sehr hoch ist und durch eine geeignete Gestaltung des Projekts auch für die gesamte Dauer sehr hoch gehalten werden kann. Die neuen Technologien werden auch in anderen Fächern eingesetzt, wodurch sich viele positive ‘Nebeneffekte’ erreichen lassen, wenn Schüler und Lehrer streckenweise eine Verdoppelung der Arbeitszeit in Kauf nehmen. Dies zeigt aber auch, daß bei entsprechender Motivation unsere Schüler durchaus belastbar sind.

 

Problematisch:

Insbesondere für die Akzeptanz bei flächendeckender Einführung ist die Technikhürde relativ hoch. Der verstärkte Einsatz des Mediums Computer bedeutet eine Mehrbelastung.

Neue Arbeitsformen sind ungewohnt und am Anfang fehlt die Orientierung in der neuen Umgebung.

Rechenfertigkeiten treten in den Hintergrund.

Die Prüfungsformen müssen sich nach den Arbeitsformen richten. Inwiefern ist das (flächendeckend) technisch machbar und politisch durchsetzbar (insbesondere am: Seminararbeit)?

 

Positiv:

Die Beteiligung und Aktivität der Schüler steigt um 100% (Idealzustand?). Referate in den Ferien, Mathematik als Hobby.

Arbeits- und Sozialformen fördern selbstverantwortliches und kontinuierliches Lernen.

Die von Lehrern gefürchtete Saisonarbeit kommt praktisch nicht vor. Diese positiven Auswirkungen wurden auch von den Kollegen in den anderen Fächern bestätigt.

Schon in Klasse 11 war ein deutlicher Reifungsprozeß zu beobachten, sowohl sozial als auch fachlich: Der kompetente Schüler als

Techniker: Der ständige Umgang mit der Technik wirkt ‘selbsterziehend’.

Forscher: Die Vielzahl an Möglichkeiten bei der Arbeit mit CAS und im Netz ist wesentlich realistischer als Frontalunterricht. Der Schüler lernt, durch Erfolg und Mißerfolg ein Ziel zu erreichen, ohne daß er für den Mißerfolg bestraft wird (wie im Berufsleben).

Lehrer: Der Schüler kann Erlerntes weitergeben und erwirbt so auf natürlichem Weg didaktische und methodische Fähigkeiten.

Autor: Durch die Dokumentation (in Worksheets und im Internet) wird der Schüler zur verständlichen und formal ansprechenden Wiedergabe seiner Erkenntnisse erzogen.

Organisator: Beim Umgang mit der Fülle von Materialien (auf dem eigenen Rechner und im Netz) erlernt der Schüler die zweckmäßige Abfolge von Tätigkeiten und die Abstimmung mit Tätigkeiten anderer.

Team: Hier bildet sich Toleranz und Verantwortungsbewußtsein.

 

Insgesamt wird durch ‘Telelearning’ die Effizienz des Unterrichts wesentlich gesteigert. Unterricht heißt nicht mehr Optimierung einer Schulstunde durch ein ausgefeiltes didaktisches Konzept (etwa: Einstieg - Höhepunkt bei zwei Drittel, Fixierung des Ergebnisses und dann Übungsphase und Hausaufgaben). Nein, Unterricht geht hier rund um die Uhr, so lange der Lehrer es will und kann. Er ist potentiell immer für alle erreichbar und betreut seine Schüler auch von zu Hause aus. Das CAS selbst bewirkt im Mathematikunterricht ebenfalls eine Steigerung der Effizienz, aber nicht in erster Linie in dem Sinne, daß nun alte Inhalte schneller und gründlicher gelernt werden, sondern daß die Schüler sich wesentlich intensiver mit der Materie beschäftigen. Das kann auch mehr Zeit kosten als im herkömmlichen Unterricht. Kurz: Ein CAS ist kein Nürnberger Trichter, mit dem sich das im Lehrplan geforderte Wissen schneller abfüllen läßt, sondern ein Werkzeug, das zur Arbeit anregt.

 

Ziele:

Die Ziele der herkömmlichen Lehrpläne müssen sicher in Frage gestellt werden (Mathematikabitur als Selbstzweck ohne Bezug zur Realität). Viele davon haben sich aber auch bewährt. Hierzu zählen insbesondere die oft nur in den Präambeln aufgeführten. Zum Beispiel (sinngemäß):

Ausführliche Begründungsphasen

offene Fragestellungen

Deutsch im Mathematikunterricht

Vorbereitung für lebenslängliches Lernen

Umgang mit den neuen Techniken (auch Gymnasiasten kommen ins Berufsleben).

 

 

Nachdem nun in einem ersten Durchgang gezeigt wurde, daß der Mathematikunterricht mit neuen Technologien nicht nur machbar ist, sondern viele Vorteile bringen kann, gilt es nun, in einem zweiten Durchgang die Feinheiten auszuarbeiten, damit die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt weitergegeben werden können. Dazu gehören exemplarische Unterrichtseinheiten mit didaktischen Kommentaren sowie Übungsaufgaben, Musterklausuren und -referate. Von entscheidender Bedeutung für die Innovation wird aber die kritische Mitarbeit möglichst vieler Kollegen sein, z.B. durch öffentliche Diskussionen auf dem CAS-Server. Für diese Diskussionen erscheint mir eins besonders wichtig (und das ist vielleicht das eigentliche Ergebnis der Pilotphase): Unser Mathematiklehrplan ist schon jetzt mit Inhalten überfrachtet. Die neuen Technologien dürfen nicht als Argument dafür mißbraucht werden, daß nun noch mehr Inhalte (Fakten, Fertigkeiten) verbindlich behandelt werden müssen. Das Gegenteil trifft zu. Die neuen Technologien können in erster Linie dazu eingesetzt werden, Wissen zu vertiefen und vor allem dazu, methodisches Vorgehen zu erlernen. Gerade in unserer Informationsgesellschaft kommt es immer weniger darauf an, einzelne Fakten parat zu haben, als vielmehr darauf, zu wissen, wie man sie sich beschaffen kann und wie man damit zu neuen Ergebnissen kommt. Deshalb hat ein Schüler, der pro Halbjahr zwei oder drei Themen gründlich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bearbeitet hat, und der seine Ergebnisse auch darstellen kann, wesentlich mehr gelernt, als ein Schüler, der für drei Klausuren den dreifachen Stoff gepaukt (und wieder vergessen) hat: Know-how ist gefragt und nicht Know-what.

Aber alles hat seinen Preis. Wenn wir unsere Schüler so individuell unterrichten wollten, wie es für eine wirkliche Qualitätssicherung erforderlich wäre, bräuchten wir nicht nur Computer und Software, sondern in erster Linie Personal.

Es gibt auch einen Zwischenbericht und eine Projektseite. (VGW)

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